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Psychologie im Arbeitsleben

Welchen Einfluss haben Open Space Büros auf die menschliche Zusammenarbeit?

von Maxine Stöver (1. Semester Master Psychologie – Human Performance in Sociotechnical Systems, Technische Universität Dresden)

Das Konzept New Work ist heutzutage in aller Munde. Darunterfallende Modelle wie Open Space Büros werden besonders bei Start-Ups und jüngeren Unternehmen immer häufiger eingesetzt. Sie versprechen im besonderen Maße die Kommunikation sowie Kooperation zu fördern. Dabei soll auch eine ansprechende Gestaltung der Büros einen positiven Einfluss haben. Im Allgemeinen können Open Space Büros als Großraumbüros verstanden werden, in denen bewusst kaum Wände, Türen oder andere räumliche Grenzen eingebaut wurden. Somit sitzen viele Mitarbeitende gemeinsam in einem Raum, um zusammen arbeiten zu können. Diese soziale Interaktion soll, anders als in den früher vielfach genutzten Großraumbüros, zu einer Gruppenintelligenz und zu besseren Ergebnissen führen. Besonders infolge der Digitalisierung und durch die immer komplexer sowie dynamischer werdenden Prozesse in Unternehmen, müssen Entscheidungen schnell getroffen werden und Informationen untereinander bestmöglich ausgetauscht werden (Kratzer, 2020). Dementsprechend nutzen etliche Organisationen dieses Konzept bereits oder planen es zukünftig bei neuen Bürogebäuden umzusetzen. Auch in Deutschland ist eine klare Tendenz hin zu Open Space Büros zu erkennen (Stadler, 2011). Die Allianz Global Digital Factory in München hat diesen Trend bereits umgesetzt. Neben Großraumbüros wurden allerdings zusätzlich Rückzugsmöglichkeiten für die Mitarbeitenden eingerichtet, um je nach Arbeitsstil und Art der Aufgabe auch ungestört arbeiten zu können. Dabei wurden bei der Bürogestaltung kräftige Farben genutzt sowie gemütliche Ecken mit Hängesesseln und Sitzsäcken eingerichtet. Feste Arbeitsplätze bestehen nicht mehr (Allianz SE, 2017).

Abb. 1: Bürogestaltung: Allianz Global Digital Factory in München

Doch nicht alle Unternehmen setzen die Raumplanung so gut um und gestalten ihre Büros wie die Allianz. So kamen Studien zu dem Ergebnis, dass die Lärmbelastung und Ablenkung in Großraumbüros besonders hoch sind. Dieses wirkt sich zudem auf die Arbeitseffizienz aus (Stadler, 2011; Kratzer, 2020). Auch hinsichtlich der Steigerung der Zusammenarbeit der Mitarbeitenden durch Open Space Büros gibt es unterschiedliche Aussagen. Dementsprechend ist fraglich, ob diese neuen Büroformen wirklich zu den gewünschten positiven Aspekten führen und inwieweit die Gestaltung dieser Büros einen Einfluss darauf haben kann. Was steckt hinter dem Konzept Open Space Büro und zu welchen Ergebnissen kommen empirische Befunde?

Bernstein und Turban (2018) untersuchten in ihrer Studie den Einfluss von Open Space Büros auf die Kommunikation und soziale Interaktion. Dabei betrachteten sie Unternehmen, bevor und nachdem diese ihre Bürogestaltung hin zu offeneren Arbeitsplätzen ohne räumliche Grenzen veränderten. Sie nutzen tragbare Sensoren, um die Face-to-Face Interaktion zu messen sowie die Serverdaten bezüglich der E-Mail und Instant Messaging Nachrichten der jeweiligen Unternehmen. Die Autoren kamen dabei zu interessanten Ergebnissen. Obwohl die Mitarbeitenden sich durch die neuen Open Space Büros jederzeit sehen konnten, wurden deutlich mehr E-Mails und Instant Messaging Nachrichten verschickt. Die Face-to-Face Interaktion sank um ungefähr 70% und wurde durch die virtuelle Kommunikation oftmals ersetzt. Zusätzlich sank auch die Produktivität der Mitarbeitenden. Somit wurden genau die Aspekte negativ beeinflusst, welche durch Open Space Büros gefördert werden sollten (Bernstein & Turban, 2018).
Eine weitere Studie befragte Personen aus unterschiedlichen Unternehmen, die bereits Erfahrungen mit Open Space Büros gesammelt haben. Dabei kam heraus, dass ein Großteil der Befragten diese Form der Büros nicht für konzentriertes Arbeiten als geeignet ansehen. Zudem wurde als Grundvoraussetzung eine Unternehmenskultur, die nicht auf Kontrollen seitens der Führungskräfte ausgerichtet ist, angegeben. Insgesamt herrschte keine generell ablehnende Haltung gegenüber Open Space Büros. Als größte Nachteile wurden allerdings Unruhe, Mangel an Privatheit und fehlende Rückzugsräume beschrieben. Durch die enge Verbundenheit dieser Probleme kann zusätzlich eine wechselseitige Verstärkung entstehen. Wichtig ist dementsprechend eine Gestaltung, die Störungen von Mitarbeitenden, die ruhig arbeiten müssen, durch Lärm und Gruppenarbeit einschränkt. Dabei wurde besonders die Notwendigkeit, einer ständigen Anpassung des Büros an die sich ändernden Anforderungen und Bedürfnisse, herausgestellt. Die Untersuchung kam ebenfalls zu keinen eineindeutigen Ergebnissen hinsichtlich der Arbeitszufriedenheit in Open Space Büros. Während über die Hälfte der Befragten mit ihrer Büroumgebung zufrieden oder sehr zufrieden waren, gab ein viertel allerdings an unzufrieden oder sehr unzufrieden zu sein. Dabei fühlen sich Menschen, die mit ihrer Arbeitsumgebung zufrieden sind, insgesamt an ihrem Arbeitsplatz wohler, sind motivierter und leistungsfähiger (Kratzer, 2020).

Welche weiteren Faktoren die Arbeitsmotivation steigern, haben Hackmann und Oldham bereits 1980 in ihrem Job Characteristics Model dargestellt. Hierbei identifizierten sie fünf Tätigkeitsmerkmale, die Arbeitszufriedenheit beeinflussen sollten. Zu diesen zählten sie Anforderungsvielfalt, Ganzheitlichkeit und Bedeutung der Arbeitsaufgabe, Autonomie sowie Rückmeldung aus der Erfüllung ihrer Aufgaben. Aus diesen resultieren die drei psychologischen Zustände: erlebte Sinnhaftigkeit, erlebte Verantwortlichkeit und Kenntnis der eigenen Arbeitsergebnisse. Die Folgen sind unter anderem eine hohe intrinsische Motivation, Arbeitsleistung sowie Arbeitszufriedenheit.

Abb. 2: Job Characteristics Model nach Hackmann und Oldham (1980)

Besonders das Merkmal der Autonomie kann dabei im Open Space Büro negativ beeinträchtigt werden, wenn viele Mitarbeitende gemeinsam in einem Raum und mit wenig Abstand zwischen ihren Schreibtischen sitzen. Demnach ist es unter anderem wichtig, den Beschäftigten unterschiedliche Optionen zu bieten und zeitgleich die Autonomie, zwischen diesen Optionen wählen zu können. Diese Wahlmöglichkeiten können einerseits, wie bereits beschrieben, räumlicher Natur sein und reichen von verschiedenen Raumzonen über Home-Office bis hin zu flexiblen Raumteilern. Andererseits sollten diese auch organisatorisch zur Verfügung stehen, damit trotz des hohen Maßes an Standardisierung der Arbeitsplätze die Anpassung an individuelle Bedürfnisse sichergestellt werden kann. Denn je mehr Optionen zur Raumnutzung zur Verfügung stehen, desto höher ist auch die Zufriedenheit und das Zusammenarbeiten (Kratzer, 2020).

Somit lassen sich aufgrund der empirischen Befunde insgesamt keine einheitlichen Aussagen in Bezug auf die Auswirkungen von neuen und offenen Bürokonzepte auf die Arbeit sowie das Wohlbefinden der Mitarbeitenden treffen. Wie beschrieben nutzen etliche Unternehmen Open Space Büros, da sie sich einen Zuwachs der Kommunikation und Zusammenarbeit versprechen. Anders als angenommen, konnten diese Annahmen allerdings nicht unterstützt werden. Viele Mitarbeitende isolieren sich in den neuen Büroformen und versuchen generell so beschäftigt wie möglich zu erscheinen, da sie jederzeit beobachtet werden können. Das menschliche Bedürfnis nach Privatsphäre und Autonomie ist durch die neue Situation am Arbeitsplatz zum Teil nur eingeschränkt umsetzbar. Um dennoch dafür zu sorgen, dass sich die Mitarbeitenden wohlfühlen und gut arbeiten können, sollte ein Schwerpunkt auf die Gestaltung der Büros gelegt werden. Besonders die Schaffung von Bereichen, in denen ruhiges und konzentriertes Arbeiten möglich ist, stellt eine wichtige Voraussetzung dar. Spielregeln, wie etwa, dass Besprechungen, wenn möglich in entsprechenden Räumen durchgeführt werden, können zusätzlich Mitarbeitenden helfen zufriedener mit dem Open Space Konzept und somit ihrem Arbeitsplatz insgesamt zu sein. Eine Rückkehr zu den klassischen Großraumbüros der vergangenen Jahrzehnte sollte somit vermieden werden.

Literaturverzeichnis

Allianz SE (2017). Das Ende des Einzelbüros. https://www.allianz.com/de/presse/news/unternehmen/personalthemen/171229-das-ende-der-einzelbuerozelle-future-of-work.html

Bernstein, E. S., Turban, S. (2018). The impact of the ‘open’ workspace on human collaboration. Phil. Trans. R. Soc. http://dx.doi.org/10.1098/rstb.2017.0239

Brehme, T. (2017). Das Open-Space-Büro als produktiver Arbeitsplatz. https://www.businesswissen.de/artikel/arbeiten-im-grossraumbuero-das-open-space-buero-als-produktiver-arbeitsplatz/

Hackman, J. R. & Oldham, G. R. (1980). Work redesign. Reading, MA: Addison-Wesley.

Kratzer, N.(2020): Open Space. Besser machen. Eine Praxisbroschüre des Projekts PRÄGEWELT –„Präventionsorientierte Gestaltung neuer Open-Space-Arbeitswelten“. München: ISF München. https://www.isf-muenchen.de/wp-content/uploads/2020/06/PRaeGEWELT-Open-Space-Besser-machen.pdf

Stadler, S. (2011). Open Space Büros. Eine Studie über die Machbarkeit und Umsetzungoffener Bürostrukturen. Abschlussbericht. Düsseldorf: Hans Böckler Stiftung.

Autor: anadurglishvili | 23. April 2021 | 1:18 Uhr

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