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Psychologie im Arbeitsleben

Die Bedeutung von Emotionsregulation im Homeoffice

von Nicole Mager (1. Semester Master Psychologie – Human Performance in Sociotechnical Systems, Technische Universität Dresden)

April 2020. COVID-19 hat Deutschland fest im Griff. Und damit auch eine Vielzahl an Arbeitnehmer*innen. In einer Befragung von Berufstätigen ergab sich, dass 49% inzwischen ganz oder teilweise im Homeoffice arbeiten (bitkom, 2020). Dies stellt für jeden fünften der Befragten eine neuartige Situation dar, womit auch sehr neuartige Probleme einhergehen (ebd.). Neben möglichen finanziellen und familiären Belastungen können nun insbesondere negative Emotionen auftreten, welche aufgrund des „Social Distancing“-Konzepts nun weitestgehend selbstständig reguliert werden müssen. Was macht das mit uns? Und was macht das mit unserer Art und Weise zu arbeiten? Haben die Krise und die damit einhergehenden (negativen) Emotionen womöglich auch negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden? Wie können wir es schaffen diese Emotionen zu regulieren?

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Die Veränderungen der Arbeitswelt durch den Versuch der Eindämmung des Corona-Virus sind vielschichtig. Die Verlegung des Arbeitsplatzes nach Hause geht mit veränderten Arbeitsbedingungen einher: Die Arbeitsanforderungen steigen durch eine steigende Stundenanzahl und die Vermischung von Arbeits- und Familienrolle, während es dadurch
gleichzeitig an sozialer Unterstützung mangelt. Damit können Gesundheitsprobleme, wie Erschöpfung, Schlafprobleme und Kopfschmerzen, einhergehen. Aber auch die Ungewissheit über zukünftige Geschehnisse innerhalb des Arbeitsmarktes führt zu Zukunfts- und Existenzängsten. Es spielen in den Auswirkungen einer Pandemie (z.B. Verlegung des Arbeitsplatzes nach Hause) also nicht nur mögliche physische oder finanzielle Probleme eine Rolle, sondern auch emotionale Probleme. Eine Untersuchung von etwa 2500 Brit*innen zeigte, dass die COVID-19-Pandemie dazu führte, dass sich die Proband*innen um ihre finanzielle Situation sowie ihre Familien Sorgen machen (Kleinberg, van der Vegt & Mozes, 2020). Die aktuelle Situation führe darüber hinaus zu Emotionen wie Angst und Traurigkeit (ebd.). Was kann nun helfen, um mit der Vielzahl an negativen Emotionen speziell im Homeoffice umzugehen? Eine effektive Emotionsregulation kann gesundheitliche, sowie soziale und psychologische Vorteile bieten. Darüber hinaus lassen sich hiermit neuartige Herausforderungen, wie die Arbeit von Zuhause, besser meistern, da sie eine höhere Widerstandsfähigkeit aufbauen können. In Folgenden sollen Forschungsergebnisse bezüglich Emotionen und Emotionsregulation mit den aktuellen Herausforderungen des Homeoffice im Zuge der Coronakrise verbunden werden. Dabei liegt der Fokus auf den folgenden Fragestellungen: Inwiefern spielt die Fähigkeit zur Emotionsregulation gerade in Zeiten der Pandemie mit den damit verbundenen Erfordernissen des Homeoffice eine übergeordnete Rolle, um Gesundheit und Wohlbefinden zu erhalten? Welche Strategien erweisen sich zudem als sinnvoll, um die negativen Emotionen abzufedern?

Wie bereits erwähnt spielt Emotionsregulation eine wichtige Schlüsselrolle, um zu beurteilen, wie sich die Pandemie auf gesundheitliche Faktoren auswirkt. Um die Bedeutung der Emotionsregulation insbesondere in Zeiten des Homeoffice und Lockdowns genauer zu verstehen, ist es wichtig das sogenannte „Job-Demand-Resources-Model“ (JDR-Modell) zu begreifen. In diesem theoretischen Modell von Bakker und Demerouti (2007) stehen sich Anforderungen des Berufes und individuelle Ressourcen der arbeitenden Person gegenüber. Im Arbeitskontext kommt es demnach zu zwei zentralen Prozessen: Zum einen wird ein motivationaler Prozess durch Ressourcen einer Person (wie z.B. soziale Unterstützung vom Team oder eigene Fähigkeiten) angeregt. Diese Ressourcen erhöhen Arbeitsmotivation. Eine höhere Motivation führt wiederum zu einem höheren Engagement am Arbeitsplatz und damit zu höherer Leistung, mehr Engagement an Arbeitsprozessen und dem Wunsch, die Arbeitsstelle zu behalten. Neben diesem Prozess der Motivationssteigerung können die Anforderungen des Berufes auf der anderen Seite die Gesundheit von Arbeitnehmer*innen beeinträchtigen. Arbeitsanforderungen stehen in positiver Zusammenhang zu Burnout und führen hierüber zu eher negativen arbeitsbezogenen Effekten (z.B. Kündigung, Erschöpfung, …).
Neben diesen zwei Prozessen stehen Anforderungen und Ressourcen aber auch in Interaktion zueinander. Arbeitsanforderungen können das Arbeitsengagement und damit positive Arbeitsergebnisse anregen, indem sie den Einfluss von hilfreichen Ressourcen auf das Engagement einer Person verstärken. Auf der anderen Seite nehmen Ressourcen eine Art „Buffer“-Funktion zwischen den Anforderungen der Arbeit und Burnout ein. Insbesondere in unsicheren Zeiten, wie der aktuellen Pandemie, spielen die individuellen Ressourcen eine wichtige Rolle. Doch von welchen Ressourcen wird hier eigentlich gesprochen? Es gibt viele Ressourcen, welche sich für Arbeitnehmer*innen als förderlich erweisen können. Darunter zählen Autonomie, soziale Unterstützung und geeignetes Feedback. Darüber hinaus ergeben sich aus der Person selbst aber auch Ressourcen, wie z.B. Selbstwirksamkeit oder Optimismus, aber auch die Fähigkeit zur Emotionsregulation, welche Stress auf Arbeit reduzieren und das Wohlbefinden steigern können. Einen solchen Prozess kann man mithilfe von emotionsregulatorischen Strategien anregen. Emotionsregulation „bezieht sich auf Prozesse, die beeinflussen welche Emotionen zu welchem Zeitpunkt auftreten und wie wir diese wahrnehmen und ausdrücken“ (Gross, 1998, S. 275, eigene Übersetzung).

Der Umgang mit negativen Emotionen auf der Arbeit ist eine der grundlegenden Arbeitsanforderungen (Restubog, Ocampo & Wang, 2020). Eine adäquate Emotionsregulation kann dazu führen, diese negative Emotionen zu reduzieren und damit das Wohlbefinden zu erhöhen (ebd.). Darüber hinaus kommt es zu einer Steigerung positiver sozialer Interaktion und der effektiveren und effizienteren Erreichung von Arbeitszielen, selbst unter dem Auftreten von Ablenkungen im Homeoffice (z.B. Kinder) (ebd.). Ein Modell, welches die Kompetenzen erfolgreicher Emotionsregulation beschreibt und ihre Zusammenhänge darstellt, ist das „Modell adaptiver Emotionsregulation“ von Berking (zitiert nach Buruck & Dörfel, 2018). Adaptive Emotionsregulation umfasst dabei die Regulation der Intensität und Dauer von Emotionen, um auf kurz- und langfristiger Ebene Gesundheit und Wohlbefinden zu erhalten (ebd.). Das Modell umfasst insgesamt sieben unterschiedliche Kompetenzen: Die achtsame Wahrnehmung der eigenen Gefühle, das korrekte Identifizieren und Benennen der eigenen Gefühle, die Betrachtung von Ursachen der eigenen Gefühle, die effektive emotionale Selbstunterstützung in belastenden Situationen, die gezielte Modifikation eigener Gefühle, das Akzeptieren und Tolerieren problematischer Gefühle sowie die Bereitschaft zur Konfrontation mit negativen Gefühlen (ebd.). Aldao, Nolen-Hoeksema und Schweizer (2010) erkannten im Fehlen von adäquaten Emotionsstrategien ein Risiko für psychopathologische Veränderungen und Erkrankungen. Die Stärkung von (Emotionsregulations-)Kompetenzen im Umgang mit emotionalen Anforderungen der Arbeit (z.B. aktuell im Rahmen der COVID-19-Pandemie) spielt also eine wichtige Rolle. Im Zuge dessen sollten Mitarbeiter Unterstützung erfahren, damit sie mit den aktuellen negativen emotionalen Zuständen besser klarkommen. Eine solche Unterstützung könnte zum Beispiel eine Trainingsmaßnahme bedeuten. In einer Studie von Buruck, Dörfel, Kugler und Brom (2016) wurde ein solches Training (Affect Regulation Training, ART) evaluiert, um dessen Einfluss auf die Verbesserung von Fähigkeiten zur Emotionsregulation und Wohlbefinden von ArbeitnehmerInnen in der Altenpflege zu messen. Es zeigte sich, dass das Training die Fähigkeit zur Emotionsregulation tatsächlich und auch nachhaltig fördert. Zudem stieg auch das Wohlbefinden der Trainingsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe an. Damit stellt das ART eine effektive Intervention dar, um den Umgang mit negativen Emotionen zu lernen und das Wohlbefinden von Altenpfleger*innen zu fördern. Dies lässt sich vor dem Hintergrund der Pandemie und dem Aufkommen negativer Emotionen im Zuge des Homeoffice möglicherweise auch anwenden, wenn auch in verkürztem Maße und auf Online-Basis.

Doch welche Strategien können einem nun konkret bei der Regulation von Emotionen im Homeoffice helfen? Laut Gross (1998) existieren fünf verschiedene Strategien der Emotionsregulation: Situationsselektion, Situationsmodifikation, Aufmerksamkeitssteuerung, kognitive Umbewertung und Reaktionsmodulation. Situationsselektion beschreibt dabei das Aufsuchen oder aber die Vermeidung von emotionsauslösenden Reizen oder Situationen. So könnte man in der aktuellen Pandemie im Homeoffice Nachrichten über COVID-19 maximal ein- oder zweimal am Tag schauen, um nicht ständig von negativen Berichten (z.B. einer Verlängerung des Lockdowns) umgeben zu sein. Wurde eine Nachricht allerdings schon geschaut, so ist eine Situationsmodifikation möglich. Dabei wird die emotionale Situation verändert und ihr Einfluss auf eine Person damit verstärkt oder geschwächt. So wäre es möglich
sich bei anderen Personen Hilfe zu suchen und Erfahrungen oder Nachrichten miteinander zu teilen. Eine weitere Strategie der Emotionsregulation stellt die Aufmerksamkeitssteuerung dar. Auch hier geht es um die Veränderung einer Emotion, hier jedoch durch eine Veränderung des Aufmerksamkeitsfokus. Denkbar im Homeoffice wäre es, seine Aufmerksamkeit nicht auf negative Nachrichten oder Aspekte der Arbeit (z.B. Isolation) zu legen, sondern sich bewusst
auf andere Aspekte (z.B. gemütliche Umgebung) zu konzentrieren. Bei der kognitiven Umbewertung soll der emotionale Reiz neu interpretiert werden. Demnach sollte man die aktuelle Situation als zeitlich begrenzte Situation sehen, die in einigen Wochen/Monaten überstanden ist. Dies betrifft auch die damit einhergehenden negativen Emotionen – sie kommen und gehen. Die letzte Möglichkeit der Emotionsregulation besteht in der Reaktionsmodulation. Diese kann angewendet werden, wenn die Emotion schon besteht und verändert werden soll. So wäre denkbar sich aktiv mit den negativen Emotionen auseinanderzusetzen, welche durch die Erfordernisse des Homeoffice entstehen, z.B. durch Sport oder spezielle Entspannungstechniken (Scheibe, 2010).

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Durch das Homeoffice kann es zu veränderten Anforderungen und damit auch zu veränderten Emotionen kommen. In Zeiten der Pandemie und der „Isolation“ im Homeoffice fernab von den Arbeitskolleg*innen können Emotionsregulations-Strategien dabei helfen, besser mit negativen Emotionen umzugehen. Tatsächliche Trainingsmaßnahmen von Emotionsregulation in Unternehmen sind aktuell im Lockdown nicht in Präsenz möglich, dafür sind Arbeitgeber angehalten solche Möglichkeiten online zur Verfügung zu stellen (z.B. durch den Kauf eines online-Trainingsmanuals für die Arbeitnehmer*innen). Doch stehen einem unterschiedlichste Strategien zur Verfügung, welche auch in Eigenbereitschaft angewendet werden können. Daher ist es sinnvoll diese einmal für sich persönlich auszuprobieren und die beste(n) in seinen/ihren Arbeitsalltag zu integrieren. Möglichkeiten zum aktiven Umgang mit negativen Emotionen während der Pandemie bieten z.B. Online-Plattformen zum Vernetzen mit Familie und Freunden oder die Durchführung wohltuender Aktivitäten (z.B. Sport). Auch ist es sinnvoll den Nachrichtenkonsu einzuschränken und sich auf positive Gedanken zu konzentrieren. Ein solcher Umgang kann dabei helfen, die negativen Emotionen und erhöhten Arbeitsanforderungen während des Homeoffice abzufedern.



Literaturverzeichnis

Aldao, A., Nolen-Hoeksema, S., Schweizer, S. (2010). Emotion-regulation strategies across psychopathology: A meta-analytic review. Clinical Psychology Review, 30, 217-237.

Bakker, A. B. & Demerouti, E. (2007). The job demands-resources theory. In C. Cooper & P.

Chen (Eds.), Wellbeing: A complete reference guide (S. 37-64). Chichester, UK: Wiley Blackwell.

Buruck, G. & Dörfel, D. (2018). iga.Report 37. Emotionsregulation in der Arbeit am Beispiel Rettungsdienst. Dresden: iga.

Buruck, G., Dörfel, D., Kugler, J. & Brom, S.S. (2016). Enhancing Well-Being at Work: The role of emotion regulation skills as personal resources. Journal of Occupational Health Psychology, 21(4), 480-493.

Corona-Pandemie: Arbeit im Homeoffice nimmt deutlich zu (2020). Zugriff am 08.01.2021.
Verfügbar unter https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Corona-Pandemie-Arbeitim-Homeoffice-nimmt-deutlich-zu

Gross, J. J. (1998). The emerging field of emotion regulation: an integrative review. Review of General Psychology, 2(3), 271-299.

Kleinberg, B., van der Vegt, I., Mozes, M. (2020). Measuring Emotions in the COVID-19 Real World Worry Dataset. arXiv preprint arXiv: 2004.04225.

Scheibe, S. (2010). Emotionsregulation: Strategien, neuronale Grundlagen und Altersveränderungen. In M. Reimann & B. Weber. Neuroökonomie (S. 59-84). Wiesbaden: Gabler.

Restubog, S. L. D., Ocampo, A. C. G. & Wang, L. (2020). Taking control amidst the chaos: Emotion regulation during the COVID-19 pandemic. Journal of Vocational Behavior, 119, 103440.

Autor: anadurglishvili | 23. April 2021 | 3:08 Uhr

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