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Psychologie im Arbeitsleben

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E-Recruiting ist die Zukunft – ob Sie das möchten oder nicht!

von Lara Katharina Oertel (1. Semester Master Psychologie – Human Performance in Sociotechnical Systems, Technische Universität Dresden)

(Quelle: https://www.techfunnel.com/hr-tech/top-e-recruitment-methods-every-chro-should-know/)

Mit der Entwicklung unserer Gesellschaft und dem stetigen Vormarsch des Web 2.0 ist es keine Überraschung, dass inzwischen auch die erste Kontaktaufnahme zwischen Bewerber*in und Unternehmen häufig digital abläuft. Der Trend der Digitalisierung ist auch in der Personalrekrutierung angekommen: der Markt zum Online-Recruiting ist eine der am schnellsten wachsenden E-Commerce-Branchen. 2019 kamen 31% der Neueinstellungen aus Internet-Stellenbörsen und 29% durch die eigene Website ins Unternehmen. Externe Onlinejobbörsen wie LinkedIn oder Xing gewinnen im Rekrutierungsprozess genauso stetig an Bedeutung wie Social Media.  E-Recruiting meint dabei nicht nur den Bewerber*innenprozess auf relevanten Kanälen, sondern kann ein ganzes Bewerber*innenmanagementsystem sein, das sich um interne Abläufe, Assessment-Center und Mitarbeiterbeurteilungen kümmert.

Gerade in Zeiten von SARS-CoV-2 wird deutlich, dass E-Recruitment die Zukunft ist.

Die globale Digitalisierung und der Fachkräftemangel fragen genauso nach neuen Lösungen für den Rekrutierungsprozess wie Internationalisierung und Ressourcenknappheit. Finde ich keine Fachkräfte mehr im eigenen Land, dann schaue ich mich eben international um und wenn ich dabei Zeit und Geld sparen kann, dann gibt es doch eigentlich keine bessere Lösung? So einfach wie es klingt ist es dabei leider nicht, doch E-Recruiting kann sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitsgebern nützen und bietet weitläufige Chancen für Unternehmen und Bewerber. Wenn man es denn richtig macht.

Ein gutes Rekrutierungssystem im Onlinebereich erweitert den Bewerber*innenmarkt, stärkt die Reputation des Unternehmens und spart Ressourcen. Es ist allerdings auch immer eine Investition, denn die anfängliche Planung und der Aufbau können genauso viel Zeit und Geld wie Nerven verbrauchen. Trotzdem sind etwa 60% der Firmen in Deutschland inzwischen auf E-Recruiting-Portalen vertreten oder nutzen entsprechende Software. Aus diesem Grund werden wir uns im Folgenden einmal anschauen, warum Firmen das E-Recruiting-Konzept für sich entdeckt haben und welche eventuellen Risiken es zu beachten gibt.

Zu E-Recruitment gehört viel mehr, als man auf den ersten Blick ahnt.

Schaut man sich die Gründe der Firmen für E-Recruting (nach Lang et al., 2011) wird schnell klar, warum es die Zukunft ist:

Kostenersparnis: Drei von vier Unternehmen geben an, eine erhoffte Kostenersparnis war der Hauptgrund für die Implementierung von E-Recruiting. Stellenanzeigen in entsprechenden Online-Portalen sind deutlich günstiger als ein Äquivalent in den Printmedien, Anzeigen bei Social Media quasi kostenfrei. Da die Anzeigen häufig deutlich teurer als die eigentliche ‚Man-Power‘ dahinter sind, wäre eine Ersparnis von bis zu 90% im Vergleich zu den vorherigen Rekrutierungskosten möglich.

Zeitersparnis: Onlinesysteme bieten eine Möglichkeit, Stellenangebote schnell zu veröffentlichen, die sofort von potentiellen Bewerbern*innen gesichtet werden können. Bewerbungen werden daher schneller eingereicht und im Bestfall automatisch gemanagt, was die Zeit zwischen der Anzeigenschaltung und Einstellung der Bewerber*innen drastisch reduziert.

Höhere Bewerberanzahl: Auf Grund der Einfachheit und geringen Voraussetzungen kann fast jeder online nach Stellenangeboten suchen und sich bewerben. Mehr potentielle Mitarbeiter*innen stehen zur Verfügung.

Unabhängigkeit: Digitale Stellenanzeigen und Bewerbungsprozesse können unabhängig von Zeit und Ort ausgeführt werden.

Fachkräfte: Jede zweite Organisation geht davon aus, Fachkräfte durch E-Recruiting eher zu finden als über analoge Lösungen.

Verbessertes Firmenimage: Eine Unternehmenswebsite und ein passendes Portal für Bewerber*innen können die Außenwirkung des Unternehmens deutlich stärken.

Effiziente und effektive Personalselektion: IT-basierte Auswahlverfahren generieren eine schnellere Organisation der wachsenden Bewerber*innenzahlen.

Zusätzliche Informationen: E-Recruiting bietet die Möglichkeit, mehr Informationen zu Arbeitsanforderungen, dem Arbeitsplatz oder dem Unternehmen bereitzustellen.

Usability: E-Rekrutierung ist einfach und übersichtlich in der Anwendung für Firmen und Bewerber*innen.

Target group orientation: Stellenanzeigen oder Kampagnen können in speziellen Foren oder Portalen durchgeführt werden, um interessierte Bewerber*innen einer bestimmten Profession anzusprechen

Updates: E-Recruiting bietet die Möglichkeit, Stellenausschreibungen jederzeit zu ergänzen oder zu aktualisieren.

Geografische Erweiterung: Internetportale und Websites sind unabhängig von geografischen Grenzen und adressieren damit eine größere Bewerber*innenanzahl.

Wettbewerbschancen: Ein schneller und günstiger Rekrutierungsprozess erlaubt zeitnahen Zugriff auf qualifizierte Bewerber*innen, die ansonsten ein Konkurrenzunternehmen eingestellt hätte.

Ein Konzept mit so vielen Chancen birgt zwangsläufig auch einige Risiken. Abgesehen von dem großen Zeit- und Kostenaufwand, den die Realisierung einer E-Recruiting-Konzeptes mit sich bringt, muss dieses auch unter Beachtung spezieller Einschränkungen entwickelt und gepflegt werden.

So werden beispielsweise Bewerber*innen, die keinen Zugang zum Internet haben oder viel Wert auf persönlichen Kontakt legen exkludiert. Weiterhin kann die Zahl der nicht-geeigneten Bewerber*innen höher ausfallen als über andere Methoden. Da deutlich mehr interessierte Personen in Onlineportalen erreicht werden, steigt auch die Zahl der Bewerber*innen, die nicht ausreichend qualifiziert sind. Es muss eine Möglichkeit gefunden werden, die Anzahl der Bewerbungen zu erhöhen und dabei gleichzeitig nicht-qualifizierte Bewerbungen so gering wie möglich zu halten. Dazu kommt, dass für einen soliden Bewerberpool die richtigen Portale und Kanäle für die Stellenausschreibungen identifiziert werden müssen und die erhöhte Anzahl an Bewerbern den Selektionsprozess erschweren oder verlangsamen kann.

Die nächste Herausforderung besteht im Handling der eigehenden Daten. Hierbei müssen der Datenschutz gewährleistet, große Datenmengen organisiert und verschiedene Datenformate verarbeitet werden. Zudem muss sichergestellt werden, dass Onlinedaten wie Tests oder weiterführende Fragebögen nicht missbräuchlich verwendet werden können. Zu beachten ist auch, dass einige IT-Methoden deutlich schlechter zur Selektion geeignet sind als andere, so wird beispielsweise ein IT-basiertes Interview keinesfalls den Gesamteindruck so gut vermitteln können wie ein persönliches Vorstellungsgespräch.

(Quelle: https://clipground.com/pic/get)

Viele Unternehmen legen Wert auf Assessment-Center, also Beurteilungsprozesse, in denen die Bewerber*innen verschiedene Stationen durchlaufen, um ein möglichst ganzheitliches Bild von deren Kompetenzen zu erhalten. Auch diese Assessment-Center können theoretisch online durchgeführt werden, bieten dabei aber praktisch die Gefahr der Hilfe durch Dritte oder einem Vorabzugang auf Testfragen und Abläufe.

Last but not least ist es wichtig, dass das gesamte System sich durch Klarheit und Einfachheit auszeichnet. Potentielle neue Mitarbeiter*innn sollten nicht in einen verwirrenden und komplizierten Bewerbungsprozess geraten und die eigenen Mitarbeiter*innen müssen effektiv und effizient mit dem System arbeiten können.

Schauen wir uns das Ganze kurz aus Bewerber*innensicht an, zeigt sich, dass auch hier die Onlineverfahren bevorzugt werden. Die Gründe liegen klar auf der Hand: Eine Bewerbung über das Internet ist zeitlich unabhängig, kostengünstig und häufig unkompliziert, wenn man alle Dokumente einmal vorliegen hat. Durch standardisierte Portale sind die für den Bewerbungsprozess relevanten Informationen gut dargestellt und die Auswahlkriterien werden transparenter. Es ergibt sich die Chance, mit einer einzigen Bewerbung Interesse an mehreren freien Stellen zu bekunden und der gesamte Bewerbungs- und Auswahlprozess ist beschleunigt. Rund 70 Prozent der Bewerber bevorzugen E-Recruiting, dreiviertel davon dabei die freie Bewerbung via E-Mail im Gegensatz zum standardisierten Onlineformular auf der Unternehmenswebsite.

Die Auswahl durch E-Recruitment bringt Veränderung mit sich, eins ist jedoch sicher: Auswählen müssen die Firmen noch selbst.

Lassen wir diesen Artikel nochmal Revue passieren, zeigt sich also, dass E-Recruiting einige Hindernisse und Schwierigkeiten birgt. Wirft man dazu allerdings einen Blick auf die Vorteile und Chancen wird schnell klar, warum ein Großteil der Firmen entweder bereits mit Onlineverfahren arbeitet oder aber im Entwicklungsprozess steckt.

Die Entwicklung eines Systems ist immer erstmal eine Investition, doch einmal ausgebaut und gut gepflegt kann es zum effektiven und effizienten Selbstläufer werden, der eine Menge Arbeit spart. Wer sich nun erschlagen vom Aufwand fühlt oder noch nicht überzeugt ist, ob E-Recruiting wirklich das Richtige für sein Unternehmen ist, der kann erst einmal klein beginnen: Denkbar wäre hier beispielsweise die Schaltung von Stellenanzeigen in entsprechenden Portalen. Der Zeit- und Kostenaufwand dafür hält sich in Grenzen, einige Portale bieten sogar einen Service an, der beim Schreiben der Anzeige berät. Eine weitere Option für den Anfang wäre, allen Bewerbern*innen die Option zu geben, ihre Bewerbungsunterlagen per E-Mail einzureichen. Wer sich einmal eingefuchst hat wird sehen, welche Vorteile auch schon kleine Schritte in Richtung Onlinerekrutierung bringen und warum E-Recruiting die Zukunft ist.

Literaturverzeichnis:

E-Recruiting: Vor- und Nachteile der Rekrutierung im World Wide Web » arbeits-abc.de. (o. J.). Abgerufen 11. Juni 2020, von https://arbeits-abc.de/e-recruiting/

In Lee. (2005). An analytical model of E-recruiting investment decision: An economic employment approach. IEEE Transactions on Engineering Management, 52(4), 486–496. https://doi.org/10.1109/TEM.2005.857569

Lang, S., Laumer, S., Maier, C., & Eckhardt, A. (2011). Drivers, challenges and consequences of E-recruiting: A literature review. Proceedings of the 49th SIGMIS annual conference on Computer personnel research, 26–35. https://doi.org/10.1145/1982143.1982152

Pommerien, J. (o. J.). E-Recruiting aus Bewerbersicht: Der Einfluss von Persönlichkeit und Einstellung auf die Nutzung von Online-Bewerbungsverfahren. Journal of Business and Media Psychology (2011) 2, Heft 1, 52-62

Recruiting-Kanäle nach Anteil der Neueinstellungen 2019. (o. J.). Statista. Abgerufen 11. Juni 2020, von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/150258/umfrage/anteil-der-recruiting-kanaele-an-den-neueinstellungen-von-unternehmen/

Autor: s7228601 | 27. März 2021 | 17:06 Uhr

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