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BMBF-Forschungsprojekt Lehrraum_digital (LR_D)

Entwurfsmuster in der Lehr- und Lernraumplanung

Zum Potential von Entwurfsmustern in der Lehr- und Lernraumplanung

Für alle die noch Luft und Muße haben, nun ein paar weitere Ausführungen zum Thema  Entwurfsmustern in der Lehr- und Lernraumplanung. Aber nur, wenn Sie noch Lust haben. Sie verpassen nichts, was den Weltverlauf in irgendeiner Weise vom Kurs abbringen könnte. Okay? Also gut… Ich möchte den ersten Punkt ein wenig weiter ausbreiten, denn er ist m.E. ein wissenschaftstheoretischer Leckerbissen. Die Suche nach einem Perpetuum Mobile der Digitalisierungs-Planung wurde verworfen und der Eingrenzung eines unüberschaubar zu werden drohenden Planungsmodells auf kleinere, verträglichere Brocken wurde der Vorzug eingeräumt. Das ist die Planungsthematik schlechthin. Designtheoretiker blicken dabei auf René Descartes zurück, der im 17. Jahrhundert lebte und der vor allem für seine Beiträge zur Aufklärung – Ich denke, also bin ich… – bekannt ist. In unserer Aufgabenstellung bringt uns aber vor allem seine Empfehlung weiter, komplexe Probleme in Teilprobleme zu zerlegen und sich so der Lösung eines Gesamtproblems in kleinen Schritten anzunähern. In die Moderne transponiert wurde dieser Gedanke von Herbert A. Simon, der für seinen Beitrag zur vernünftigen Begründung der Teilbetrachtung – Bounded Rationality – sogar einen Nobelpreis überreicht bekam. Für die gegenwärtige Architektur – und die ist für unser Forschungsprogramm ja von einiger Bedeutung – ist diese Moderne der bevorzugte Betrachtungspunkt. Und da war es vor allem Christopher Alexander, der mit einer entsprechenden Mustertheorie ebenfalls auf das Thema Begrenzung hinwies. Eindrucksvoll hinwies, muss man vielleicht sagen, denn Alexanders Theorie erstreckt sich – oh Schreck – über rund 1000 Seiten.

Glücklicherweise hat sich mit Helmut Leitner ein freundlicher Kommentator Alexanders gefunden, der es uns ermöglicht, gleich auf die Schultern des Riesen zu steigen und auf diese Weise möglicherweise noch weiter schauen zu können. Alexander ist von immer wiederkehrenden Mustern beeindruckt, die er in der Architektur vorfindet. Diese Muster sind für ihn nichts anderes, als die durch bestimmte Bedingungen festgelegte Formgebungen, die immer-und-immerwieder in der Architektur auftauchen. Dieses Idee wurde in den didaktischen Bereich übernommen und siehe da, auch hier finden sich, schaut man genau hin, Muster, die immer wieder in ähnlicher Weise zur Anwendung kommen. Nichts Neues soweit, was also ist das Besondere in unserem Projekt? Alexander möchte sich besser mit Laien über die Planungsprobleme der Architektur unterhalten können. Für ihn ist das Sprechen über ein Problem der erste Schritt, den eigenen Vorstellungsbereich zu erweitern. Ganz im Sinne Wittgensteins: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“ (Tractatus 5.6). Die Entwurfsmuster wurden zum Ursprung einer von ihm bevorzugten Entwurfsmustersprache. Mit der Hinwendung zu diesen linguistischen Aspekten, die in Alexanders Schaffenszeit der 1960’er und 1970’er Jahre Hochkonjunktur hatten und sogar in die Begründung eines Lingusitic Turns mündeten, kamen semiologische Aspekte. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – schwupss sind da schon eine Reihe anderer Turns, Semantic Turn, Pictorial Turn Iconic Turn. Die Idee dieser Wendungen, denen gemeinsam ist, den besonderen Erkenntniswert von nicht-sprachlichen Bedeutungsträgern zu betonen, bildete das nächste benachbarte Gravitationszentrum. Alexander war en Vogue und ist es noch heute, wo wir wohl am ehesten unter den Ideen des Spatial Turns forschen, der Mitte der 90’er Jahre an Bedeutung gewann und der Raumkonzepte, Raumwahrnehmung und gelebten Raum nicht mehr länger getrennt voneinander betrachten möchte.

Man muss diese Drehungen und Wendungen nicht gut finden und man muss sie sich schon gar nicht alle merken, aber auch das sind eben Begrenzungen, die die Ausmaße unseres etwas unüberschaubaren Themengebiets etwas besser abzuschätzen helfen. Sich drehende benachbarte Galaxien, die sich hin-und-wieder mit ihren Spiralarmen gegenseitig ins Gehege kommen. Leitner führt die Idee, nach bekannten Mustern zu suchen, um daraus zu lernen, bis auf Goethe zurück. Und das gilt auch in der eher antike-begeisterten Designtheorie als zumutbarer Startpunkt. Goethe als klassisches Scharnier zur Moderne bringt uns dann zu den ersten bekannter gewordenen Ansätzen angewandter Entwurfsmuster, auf die Nancy Tanneberger hingewiesen hat. Moritz Meurer sei es gewesen, der als eifriger Professor für grafische Kunst die aufstrebenden Gewerbeschulen mit Übungen für angehende Gewerbemaler versorgte. Das war Mitte des 19. Jahrhunderts und wurde schon bald durch die Erfindung der Fotografie weiter beflügelt. Wir befinden uns also wirklich auf den Spuren eindrucksvoller Vorgänger. Immer noch nichts Neues – ich wollte doch einen neuen Aspekt benennen. Nun gut hoffentlich ist er neu, ansonsten gibt’s Schelte – wir haben uns erlaubt, eine Diagrammatik von Horst Rittel zum Anlass zu nehmen, Entwurfsmustern zusätzlich zu den sprachlichen Komponenten, eine theoretisch fundierte Diagramm-Darstellungsweise zu verpassen. Denn es gibt verblüffende Ähnlichkeiten zwischen den sprachlichen Gliederungen Christopher Alexanders und der eher mathematisch orientierten, reduzierten Darstellungsweise von Designprozessen Horst Rittels, der, ebenfalls in den 60’er und 70’er Jahren des 20. Jahrhunderts, besonders aktiv war, unter anderem an der legendären Hochschule für Gestaltung in Ulm. Tja, das ist es nun. Mit der ein oder anderen Ergänzung wollen wir dieses, aus unserer Sicht besonders gut nachzuvollziehende Modell nutzen, um Muster, die wir in den vielen empirischen Untersuchungen aufgespürt haben, eine Form zu geben, die aus unsere Sicht geeignet scheint, Entwurfsmustern mehr Akzeptanz zu verleihen.

 

Autor: Dirk Bei der Kellen | 5. Januar 2018 | 13:35 Uhr

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