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Psychologie im Arbeitsleben

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Effektive Teamarbeit in Zeiten des Home Office – Lessons learned from COVID-19

von Maybritt Schrader, Michaela Wolff und Xenia Dienel (1. Semester Master Psychologie – Human Performance in Sociotechnical Systems, Technische Universität Dresden)

Führungskräfte müssen sich seit dem Frühjahr den neuen Herausforderungen der Teamarbeit im Homeoffice stellen, denn die Umstellung vom analogen zum virtuellen Arbeiten führt zu veränderten Stressoren und Ressourcen. Anlässlich dieser Thematiken haben wir einen Experten – Oliver Mantau – aus der Wirtschaft befragt, um einen Einblick in die derzeitige Arbeitsrealität zu erlangen. Die Ergebnisse dieses Gesprächs werden in diesem Blog vorgestellt.

Die COVID-19 Pandemie hat unser Leben seit ihrem Beginn Anfang 2020 fest im Griff. Soziale Kontakte müssen auf ein Minimum begrenzt werden, Restaurants schließen, das kulturelle Leben liegt brach und die Hoffnung auf einen Impfstoff wächst. Doch nicht nur der private Bereich ist durch diesen Wandel beeinflusst: Auch die Arbeitswelt hat sich schlagartig geändert. Der Anteil der im Homeoffice Arbeitenden ist nach Angaben des statistischen Bundesamtes von 40 Prozent vor der Pandemie auf derzeit circa 60 Prozent gestiegen (Randstad, 2020). Da 70% der Belegschaft in Deutschland regelmäßig in Teams arbeiten (Wegge, 2010), bringt die Verlagerung der Teamarbeit ins virtuelle Umfeld Herausforderungen sowie auch Chancen mit sich. 

Aus empirischer Sicht sollte unbedingt nach Ressourcen für psychologisches Wohlbefinden gesucht werden. Wie zum Beispiel das Vitaminmodell (Warr, 2007) suggeriert, steigt das Wohlbefinden mit einem gewissen Grad an Autonomie an, stagniert auf einem bestimmten Level wieder und fällt ab einer bestimmten Sättigung  wieder ab. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, trotz Home-Office für einen jeden Arbeitenden das richtige Maß an Autonomie zu finden. Aus diesem Sachverhalt ergeben sich verschiedene Fragestellungen im Bereich des Teamdesigns und der Teamführung: Wie kann die Produktivität des Teams beibehalten werden? Welche Stressoren und Ressourcen wirken sich auf das Wohlbefinden der Mitglieder virtueller Teams aus? 

Das Interview

Wie sehen diese neuen Arbeitsprozesse mit sämtlichen Anforderungen und Möglichkeiten in der Praxis aus? Diese und weitere Fragen stellten wir Oliver Mantau, seinerseits Team Lead Business Unit Recruiting der PALTRON AG in Hamburg. 

Die Firma: PALTRON AG

Die PALTRON AG berät ihre Kund*innen bei der Besetzung von Experten*innen-Positionen in der IT-Branche. Vom Start-Up bis zum Konzern werden hier Fach- und Führungskräfte, wie beispielsweise IT-Architekt*innen und Netzwerkadministrator*innen, gesucht und gefunden. Mit zirka zwanzig festangestellten Mitarbeiter*innen, die sich in zwei Recruiting Business Units und einem Sales Team aufteilen, sitzt das Unternehmen im Herzen der Hafencity der Hansestadt. Das Unternehmen zeichnet sich besonders durch seine Unternehmenskultur aus, welches von einem herzlichen Miteinander geprägt ist. Doch wie wird dieses Miteinander aktiv gelebt, wenn der Großteil der Mitarbeiter*innen von zuhause arbeiten.

Der Interviewpartner: Oliver Mantau

Oliver Mantau ist seit 2017 im Betrieb und absolvierte zunächst ein fünfmonatiges Praktikum im Recruiting. Anschließend stieg er 2018 fest bei PALTRON in der Rolle des Recruiters („HR Consultant“) ein, um die Digitalisierung in deutschen Unternehmen zum Leben zu erwecken. Seit Anfang des Jahres 2020 führt Herr Mantau ein achtköpfiges Team, das derzeit aus vier festangestellten Recruiter*innen, einer Werkstudentin und drei Praktikant*innen besteht. Seine Aufgaben lassen sich grob in drei Tätigkeitsbereiche unterteilen. Zunächst ist er im operativen Recruiting tätig und hier im gesamten Prozess vom Briefing des Auftrags, über die Kandidat*innensuche und die Vorstellung von geeigneten Kandidat*innen beim Kund*in bis hin zur Besetzung der Position involviert. Ein weiterer Tätigkeitsbereich stellt die Strategieentwicklung dar: Der Recruiting-Prozess im Unternehmen sowie das Team Leading wird bei PALTRON dauerhaft weiterentwickelt und in Bezug auf neue Anforderungen angepasst. Das Gros seiner Arbeitszeit fällt allerdings auf die Teamführung. Hierzu zählt die Steuerung des Teams, das Coaching sowie die Weiterentwicklung der einzelnen Teammitglieder. Durch das Interview mit ihm konnten wir einen Einblick in aktuelle Stressoren und Ressourcen durch die virtuelle Arbeit gewinnen.

Virtualität erschwert externe Kommunikation

Die Arbeit bei PALTRON umfasste schon vorher virtuelle Kollaboration, nichtsdestotrotz war es eine Herausforderung komplett auf das virtuelle Arbeiten per Remote umzustellen. Die Kund*innen von PALTRON, vor allem mittelständische Unternehmen und Konzerne, scheinen noch mehr Probleme mit der Umstellung zur Virtualität zu haben als das Start-Up selbst. Dies wirkt sich auch auf die Zusammenarbeit aus, so berichtet Herr Mantau von einem virtuellen Briefing mit einem Kunden, wo drei der Ansprechpartner*innen über jeweils eine Kamera und ein Mikro kommunizierten. Der Austausch wurde durch diese technischen Schwierigkeiten behindert und war nicht so reichhaltig, als hätte er vor Ort stattgefunden.

Der synergetische Austausch mit anderen Unternehmen der CTG  wird ebenfalls durch die Virtualität komplizierter, da der Austausch durch die Örtlichkeit bedingt war: Die Unternehmen befinden sich in Hamburg im selben Gebäude auf verschiedenen Stockwerken. Nun fallen die monatlichen Treffen aller Unternehmen sowie spontane Treffen im Gebäude gänzlich weg. Darüber hinaus erzählt Herr Mantau, dass auch die Kommunikation zwischen den Recruiting- und Sales-Teams sich schwieriger als zuvor gestaltet.

Arbeiten im Home Office kann zur Distanzierung zu negativem Affekt sowie Einsamkeit führen und den Teamzusammenhalt beeinträchtigen.

Beeinträchtigtes Miteinander, Zusammenhalten und Austauschen im Team

Auf der sozialen Ebene war die Umstellung auf das Home-Office besonders spürbar. Der Austausch im Büro war nicht nur auf professioneller Ebene, vielmehr war der Umgang im Team von einem engen Miteinander geprägt. Viele Dinge, die das Miteinander angenehm und unterhaltsam gemacht haben, fehlen nun im Homeoffice: die gemeinsame Mittagspause, eine Runde Tischkicker oder Dart im „Spielzimmer“ sowie die Feierabend-Aktivitäten. Die Mitarbeiter*innen vermissen es, vor Ort zusammen zu sein. Herr Mantau berichtet auch, dass durch den Wegfall des Zwischenmenschlichen die Kommunikation manchmal erschwert wird. Der virtuelle Ersatz sei nicht immer das “Gleiche”. Beispielsweise kann er die Stimmungen und Launen der Mitarbeiter*innen schwerer erkennen und dementsprechend auch weniger gut darauf reagieren.

Darüber hinaus erfordert der Informationsaustausch in der virtuellen Zusammenarbeit zusätzlichen organisatorischen Aufwand: Verabredungen und Gespräche müssen aktiv geplant und initiiert werden. In seiner Führungsrolle empfindet Herr Mantau es als mehr Arbeit das Team in der Virtualität zusammenzuhalten und abzuholen. Besonders Praktikant*innen sind traurig, dass sie nicht vor Ort sein können. Das Onboarding gestaltet sich schwieriger.

Teamwork kann auch sehr chaotisch anmuten.

Wohnortbedingte Stressoren

Ein Beispiel von einem wohnortbedingten Stressor ist das Essen in der Mittagspause. Per App kann sich jeder im Team ein Essen von ausgewählten Anbietern besorgen, die Firma übernimmt die Kosten, vorausgesetzt das Essen wird in der Mittagspause gekauft und per Kassenzettel abgerechnet. Brachen die Mitarbeiter*innen im Winter von ihrem zentral gelegenen Büro in der Hafencity noch gemeinsam in der Pause auf um sich etwas zu Mittag zu kaufen, gestaltet sich das Ganze nun etwas schwieriger. Viele Mitarbeiter*innen fühlen sich davon gestresst, innerhalb der einstündigen Mittagspause das Essen einkaufen zu gehen, da sie je nach Wohnort keine passenden Angebote haben. Dieser Mittagsstress kann die aktive Entspannung in der Pause stören. Einige werden auch durch Lärm bei ihrer Arbeit im Homeoffice gestört, wie zum Beispiel durch Baustellen. Auch eine gestörte Telefon- oder Internetverbindung kann zum Stressor werden. Herr Mantau betont aber auch, dass Praktikant*innen durch ihre finanzielle Situation mit stressfördernden Wohnsituation konfrontiert sind als Festangestellte. So klagen einige über Probleme in der WG und auch das Set-Up ist nicht bei allen ergonomisch.

Ergonomisches Arbeiten ist im Home Office nicht immer gegeben.

Erhöhter Workload durch die Virtualität

Ein weiterer Stressor, der durch die Virtualität verstärkt wurde, ist der Workload. Herr Mantau schildert uns, dass das Ausmaß an internen, virtuellen Konferenzen explodiert ist. Seiner Einschätzung nach müssen momentan alle Mitarbeiter*innen mehr und mit einem höheren Tempo als zuvor arbeiten. Die Kunden verlangen eine schnellere Stellenbesetzung und begründen dies unter anderem mit dem geringeren Reiseaufwand. Insgesamt arbeitet das Team momentan eher zu viel.

Der Distanz mit virtuellen Alternativen und Events entgegenwirken 

Stellen wir uns nun der Frage, wie sich in Zeiten der verstärkten physischen und sozialen Distanz Unternehmen strukturieren, um sich von den damit einhergehenden Stressoren zu lösen. Unser Interviewpartner Herr Mantau geht das Problem ganz offensiv an und lässt sich von den Einschränkungen dieser Tage nicht unterkriegen. Um den Folgen sozialer Distanz Einhalt zu gebieten kontert das Unternehmen den Problemen mit zwei wöchentlichen sogenannten „Socialising-Events“. Hierbei wird für alle Mitarbeiter*innen ein virtueller Raum zum Spielen und Unterhalten zur Verfügung gestellt. Als Höhepunkt wird eine virtuelle Weihnachtsfeier veranstaltet. Spontane gemeinsame Mittagspausen und Feierabende, sowie häufigeres Telefonieren zwischendurch, insbesondere mit Neulingen der Firma, schaffen der sozialen Isolation ebenfalls Abhilfe und fördern das Gefühl der Teamzugehörigkeit. 

Teamwork kann bedeuten, dass mehrere Menschen zusammen eine Lösung suchen und umsetzen.

Personalentwicklung mit Feedback 

Um die Weiterentwicklung jedes einzelnen Teammitglieds zu gewährleisten, sind regelmäßige Feedbackprozesse in den Arbeitsalltag bei PALTRON integriert. Die Festangestellten erhalten einmal im Quartal ein 360°-Feedback: Hierbei werden die Fähig- und Fertigkeiten der Mitglieder aus verschiedenen Perspektiven eingeschätzt z.B. von den Mitarbeiter*innen, dem Vorgesetzten und den Kolleg*innen. Die Praktikant*innen, die meist für einen Zeitraum von einem halben Jahr im Unternehmen sind, erhalten alle acht Wochen von Herrn Mantau Feedback, um bereits entwickelte Fähigkeiten zu unterstreichen und Entwicklungspotentiale herauszuarbeiten. 

Agile Teamführung für Teamzusammenhalt im Home-Office 

Um das Team zu organisieren, setzt Herr Mantau auf einen stark agilen Ansatz. Die täglichen Stand-Ups am Morgen in der Business Unit sollen versichern, dass alle Mitglieder denselben Wissensstand haben und Kapazitäten geklärt sind und effektiv genutzt werden. Einmal in der Woche führt Herr Mantau One-on-One-Meetings mit den Festangestellten durch, bei denen aktuelle Themen im kleinen Kreis angesprochen und eventuelle Problemstellungen erörtert werden können. Im All-Hands-Meeting kommt das gesamte Unternehmen mit den zwei Business Units und dem Sales Team alle zwei Wochen zusammen und bespricht aktuelle Themen, neue Aufträge und begrüßt neue Mitglieder.

Um das sonst so aktive Miteinander ausgleichen zu können, ist die Abteilung kreativ geworden. Das sonst wöchentliche One-on-One-Meeting lässt sich Herr Mantau durch Corona nicht nehmen. In diesen One-on-One‘s wird das weitere Vorgehen eines jeden Mitarbeiter*innen gemeinsam mit dem Teamlead besprochen. Nun finden sie genauso regelmäßig über Kamera, Mikrophon und räumliche Distanz statt. 

Partizipation zur Stressreduktion

Wie aktuelle Studien zeigen konnten, können Videokonferenzen zu bestimmten Themen manchmal sogar wirksamer sein als tatsächliche Face-to-Face Treffen. In einer Studie von Wegge et al. (2007) wurde ein Face-to-Face Zielvereinbarungstreffen , einem solchen Treffen über Videokonferenz gegenübergestellt. Hierbei konnte gezeigt werden, dass die Treffen über Videokonferenz tatsächlich die besten Ergebnisse lieferten, wenn sie in einer partizipativen Art und Weise durchgeführt wurden. Als partizipativ lassen sich bei PALTRON auch andere Arbeitsabläufe beschreiben. Um Stress vorzubeugen, werden die Mitarbeiter*innen aktiv angesprochen, wenn sich aufzeigt, dass die Arbeitsstunden eine bestimmte Schwelle überschreiten. Geleistete Überstunden können durch Stunden-Abbummeln wieder heruntergefahren werden. Ebenso wird darauf Wert gelegt, dass keine unnötigen Termine stattfinden. Somit sind Termine agil anpassbar und eine Überlastung durch „bedeutungslose“ Treffen reduziert. Aktive Stressreduktion wird vom Unternehmen ebenfalls durch eine wöchentlich virtuell und stattfindende Yogastunde auf freiwilliger Basis betrieben.

Mit regelmäßiger Kommunikation, Feedback und sozialen Events kann Teamzusammenhalt im Home Office Individuen unterstützen.

Günstige Arbeitsbedingungen durch ergonomische Ausstattung  Da das Arbeiten wie erläutert einige Schwierigkeiten mit sich bringen kann, sollen im Home-Office gleiche und arbeitserleichternde Voraussetzungen errichtet werden. Zur technischen und strukturellen Aufrüstung der Home-Offices fahren deswegen zur Zeit Transporter, zum Beispiel mit Bildschirmen und Stühlen ausgestattet, durch Hamburg. Die geladenen Güter werden den Mitarbeiter*innen von PALTRON komfortabel an den Heimarbeitsplatz geliefert. Auch durch diese angemessenere Arbeitsplatz Ausstattung sollen die Mitarbeiter*innen motiviert werden. Falls durch weitere Umstände das Arbeiten von zu Hause eine zu große Hürde darstellt dürfen die Mitarbeiter*innen auch nach Absprache das Büro nutzen.

Literaturverzeichnis

Randstad, ifo Institut (2020). Homeoffice-Nutzung vor und während der Corona-Krise Q2 2020. Statistisches Bundesamt. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1140049/umfrage/corona-krise-homeoffice-nutzung-und-potenzial/. Zugriff: 21.11.2020, 9:06 Uhr

Warr, P. (2007). Jobs and job-holders: Two sources of happiness and unhappiness. The Oxford handbook of happiness, 733-750.

Wege, J., Hempen, S., Kleint, S. (2010). Ziel-Zustand – zwischen Herausforderung und Motivation. In Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V. (Hrsg.), Neue Arbeits- und Lebenswelten gestalten. Dokumentation des 56. Arbeitswissenschaftlichen Kongresses in Darmstadt. Dortmund: Gfa-Press.

Wegge, J., Schmidt, K.-H., Liebermann, S. & van Knippenberg, D. (2011). Jung und Alt in einem Team? Altersgemischte Teamarbeit erfordert Wertschätzung von Altersdiversität. In P. Gelléri & C. Winter (Hrsg.), Potenziale der Personalpsychologie. Einfluss personaldiagnostischer Maßnahmen auf den Berufs- und Unternehmenserfolg (S. 35-46). Göttingen: Hogrefe.

Autor: ddoerfel | 20. April 2021 | 11:16 Uhr

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