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BMBF-Forschungsprojekt Lehrraum_digital (LR_D)

Open Work Space auf der GeNeMe 2017

geneme_01Eine zentrale Methode des Projekts Lehrraum_digital ist also der sogenannte Open-Work-Space. „Open“ deshalb, weil mit diesem Werkzeug gemeinschaftliche Entwürfe gemacht werden können. Im Wissenschaftler-Slang nennen wir das häufig auch Instrumente. Und, wie das so ist – man muss viel üben, wenn man ein Instrument gut spielen will. Und das am besten nicht nur daheim im stillen Kämmerlein. Hier ein kleiner Auftritt, dort ein spontaner Gig – um sich Schritt für Schritt zu verbessern. „Wer für alles offen ist, der kann nicht ganz dicht sein…“ heißt es ja hier und da. Und wer weiß, vielleicht ist da ja auch ein Fünkchen Wahrheit dran. Daher geben wir beim Instrument, das wir zu spielen gedenken, tatsächlich auch ein klein wenig die Spielweise vor, um für uns interessante „Klänge“ erzeugen. Diesmal haben wir zu einer öffentlichen Probe am Rande der GeNeMe-Konferenz eingeladen. Gemeinschaften in Neuen Medien bedeutet die Abkürzung. Und die fand vom 18. bis zum 20. Oktober in Dresden statt. IMG_7899Die GeNeMe ist ein Treffpunkt, bei dem sich Menschen aus Wissenschaft und Ökonomie treffen, um gemeinsam aktuelle Strömungen des digitalen Lebens zu diskutieren. Nach der Eröffnung am 18., abends, mit viel Geläut und weisen Worten im Dresdner Stadtmuseum, kam am ersten Konferenztag unser Auftritt im Kugelhaus gegenüber dem Hauptbahnhof, wo das Konferenzprogramm stattfand. Unseren Auftritt kann man sich möglicherweise als Jazz-Konzert vorstellen, bei dem eingängige Themen gespielt werden, dann aber auch immer wieder improvisiert wird, um mögliche neue Variationen zu Gehör zu bringen. Und es geht darum, sich auf das Publikum einzulassen und es in die Performance einzubeziehen. Wissenschaftlich trocken wird das als partizipative Methode bezeichnet, in der Entwurfspraxis würde man wohl von Co-Design sprechen.

Wie aber funktioniert unser Instrument nun? Im Grunde geht es ja gar nicht darum, Musik zu machen. Sondern es geht darum, das Bild eines für die Berufsausbildung vernünftig ausgestatteten Lehr- und Lernraum entstehen zu lassen. Wir haben uns dazu eine Art offenes Atelier ausgedacht, in dem wir als Entwerfende unsere Vorstellungen mit denen interessierter oder betroffener Menschen vergleichen möchten. Es besteht aus drei Entwurfsbögen, auf denen wir unsere Ideen skizzieren. Auf dem ersten Bogen möchten wir die Ideen und Vorstellungen sammeln, die unsere Co-Designer mitbringen und fragen: „Wie und Wo wollen Sie lernen?“. Auf dem zweiten Bogen stellen wir Vorstellungen, die uns bei unserenRecherchen zu unterschiedlichen Lernsituationen aufgefallen sind, dar und hoffen auf kritische Anmerkungen unsere Co-Designer. Und der dritte Bogen, tja, auf dem möchten wir skizzieren, wie in einer näheren Zukunft gelernt werden kann.

geneme_02Und wie läuft das nun konkret ab? Wie macht man Co-Design im Open-Work-Space? Am Eingang zu unserem Open-Work-Space holen wir erstmal interessiert schauende Leute ab und erklären denen ganz kurz, was wir eigentlich vorhaben und dass wir ihre Hilfe benötigen. Keine einfache Aufgabe ist das. Man muss auf Menschen zugehen können und die richtigen Worte finden, damit denen nicht der Schrecken in die Glieder fährt. Niemand war vor uns sicher – vom Professor bis zum studentischen Mitarbeiter wurden bei der GeNeMe alle angesprochen, die auch nur ansatzweise in unsere Nähe kamen. Nach der ersten Verwunderung kam man dann aber eigentlich immer schnell ins Gespräch. Klar, die meisten Konferenzteilnehmer waren vom Fach und interessierten sich, wenn schon nicht für unser Projekt der Lehrraum-Digitalisierung in der beruflichen Ausbildung, dann doch für das abenteuerliche Verfahren, mit dem wir antreten.
IMG_7916Nach den ersten einleitenden Worten geht’s dann aber schnell zu Sache. Erstmal werden die eigenen Ideen zum Thema notiert. Dazu haben wir einen Stehtisch zu einer Palette mit Filzstiften und lustigen bunten Notizzettel umfunktioniert. Es darf geschrieben und gezeichnet werden, wie man möchte. Viele schreiben ihre Stichwörter einfach direkt auf den weißen Skizzen-Bogen, manche geben schon bei dieser lockeren Ideensammlung ihre Bedenken preis. Andere wiederum notieren ihre schon weitreichenden Gedanken Lehrraum-Digitalisierung in geschliffenen Thesen. IMG_7905All das hilft uns als Designer des Lehrraum_digital schon weiter. Wir sehen so, ob es möglicherweise Aspekte gibt, an die wir noch gar nicht gedacht haben. Und was haben unsere Co-Designer letztendlich aufgeschrieben? Café, Mensa, Zuhause, Sofa, in der Küche beim Kaffee – diese und andere Stichwörter fanden wir auf dem Skizzenblatt neben Statements wie, Learning spaces are everywhere oder Lerntechnik muss zu Ausbildungszeiten passen. Jedoch, allein aus den Stichwörtern ist noch kein Entwurf zu machen. Letztendlich sind wir als Projektteam Lehrraum_digital ja eine Zusammenstellung von Fachleuten, deren Gedanken sich tagtäglich um die Frage drehen, in welcher räumlichen Konstellation gut gelernt werden kann. Und daher haben wir einen zweiten Skizzenbogen aufgehängt, auf dem Fotos von Lernsituationen zu sehen sind. Lernsituationen, die wir interessant finden, die wir abschreckend finden oder die wir als uns noch fremd, aber irgendwie spannend empfinden. Rundherum um die Fotos haben wir einige provokante und provozierende Aussagen angebracht, die uns aus der Entwurfspraxis irgendwie vertraut vorkommen. Teilweise sind das absurde Vorstellungen und Meinungen, die sich aber gar nicht so einfach widerlegen lassen. IMG_7914Unsere Co-Designer fordern wir auf, diese Situationen zu kommentieren – Aufkleber mit der eigenen Meinung drauf oder direkt aufs Foto gekritzelt. Wissenschaftler würden weit ausholen und dieses Verfahren möglicherweise mit der sogenannten Kritischen Theorie der Frankfurter Schule in Verbindung IMG_7930bringen. Ganz so weit würden wir nicht gehen wollen, denn auf diesem Bogen konnten ja keine spitzen Kritiken ausformuliert werden. Aber ein Hauch von Protest wehte an dieser Stelle durch unseren Open-Work-Space, was in der Entwurfspraxis als Critical Design gelegentlich ganz praktisch ist, auch um sich selbst und die eigenen Entwürfe immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Auch, wenn hier nicht wirklich beißende Kritik entstand, kamen immerhin einige konstruktive Vorschläge dabei heraus. Auf einem Foto sind beispielsweise Lernenden in einem Hörsaal abgebildet, die mehr oder weniger nichtssagend in die Gegend schauen. Ein Kommentator schrieb dazu lediglich Audience Response System auf einen blauen Selbstklebe-Notizzettel und hat diesen auf das Foto geklebt. Der Kommentar sagt uns als Planer von Lehrräumen, dass sich Lehrende wohl manchmal wünschen, die Lernenden allgemein ansprechen zu können, damit sie in Erfahrung bringen können, warum alle so ratlos oder gelangweilt in die Luft schauen.

So – aufmerksame Leser würden jetzt ein paar Sätze zu den Zukunftsvorstellungen hören wollen, die wir ja gerne auf dem dritten Bogen gerne eingeholt hätten. Unsere Antwort: Tja, gut dass das ein Probe war… Denn, wenn wir ehrlich sein sollen, diese weiße Wand wussten weder wir noch unsere Co-Designer wirklich mit Leben zu füllen. „Nachsitzen“ könnte man nun sagen und den Kopf in den Sand stecken: Wenn die TU-Experten schon nicht wissen, was auf uns die nächsten zehn, zwanzig Jahre in der Lernarchitektur zukommt, wie soll das dann ein Co-Designer wissen? Man kann es aber auch positiv sehen und die weiße Fläche so interpretieren, dass den Beteiligten sehr klar war, dass das, was wir uns so wünschen und vorstellen gar keine richtigen Zukunftsideen sind, sondern eher Optimierungen bestehender und bereits verfügbarer Möglichkeiten. Und vielleicht geht es ja auch gar nicht darum, alles schon jetzt ganz klar benennen zu können. IMG_7925Vielleicht wäre es sinnvoller, sich erstmal Gedanken darüber zu machen, unter welche Vorkommnissen und Bedingungen unser Lernen in fünfzehn Jahren überhaupt stattfinden wird. Vielleicht wäre es schon ein Erfolg, aus den als wahrscheinlich eingeschätzten Zukunftsbedingungen Rückschlüsse zu ziehen, und uns selbst zu fragen, ob die aktuellen und gegenwärtigen Entwürfe in diesem Zusammenhang überhaupt Sinn machen? Wer darauf schon die passende Antwort hat, nutze bitte die Kommentarfunktion und kläre uns entsprechend auf…

Alles eine Frage der Methode, äh, des Instruments! …oder des Werkzeugs?

 

 

 

 

Autor: Dirk Bei der Kellen | 26. Oktober 2017 | 14:15 Uhr

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