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BMBF-Forschungsprojekt Lehrraum_digital (LR_D)

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Learning Space Rating System

Wie kann man eigentlich die Qualität von Lehr- und Lernräumen bewerten? Die Frage scheint nur auf den ersten Blick einfach zu beantworten sein. Pragmatiker würden wahrscheinlich sagen, dass ein Lehrraum dann von besonderer Güte ist, wenn am Ende des Semesters möglichst viele Lehrende gute Zensuren erzielen. Mit Güte meine wir im Projekt Lehrraum_digital im Grunde das, was Horst Rittel als „die Eignung eines Gegenstandes für einen bestimmten Zweck“ (Rittel, 2013, S. 87) beschrieben hat. Eine große Herausforderung bei der Beurteilung der Güte von Lehr- und Lernräumen kommt, das wird kaum überraschen, dem Maßstab zu, den man an die eigenen Lehrräume anlegt. Darüber hinaus ist es natürlich so, dass jeder Mensch Raum und damit auch Lehr- und Lernräume ganz unterschiedlich wahrnimmt, dass jeder einzelne Raum-Benutzer mit ganz eigenen Vorstellungen über den Lernraum daher kommt und dass jeder Mensch im Laufe seines Lebens ganz unterschiedliche Umgangsweisen mit Lehr- und Lernräumen entwickelt. Eine maßgeschneiderte Überprüfung wäre in diesem Zusammenhang eine ziemlich aufwendige Sache.

Es kann allerdings bereits auf einiges Expertenwissen zurückgegriffen werden, zur Frage, wie ein Raum entsprechend seiner Einrichtung bewertet werden könnte. Beispielsweise mittels des Rating-Systems des US-amerikanischen Bildungs-Netzwerks EDUCAUSE. Das ist eine Organisation, in der sich einige amerikanische Universitäten zusammengetan haben, um ihre IT- und Medienstrategien gemeinschaftlich voranzubringen. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist das Learning Space Rating System, das auch im Umgebungskonzept des Projekt Lehrraum_digital Anwendung findet.

Beim Learning Space Rating System (LSRS) geht es darum, mit messbaren Kriterien bewerten zu können, wie gut ein Klassenraum-Design aktives Lernen ermöglicht und fördert. Dazu schlägt das LSRS ein Bewertungs-System vor, das sich durch den Erfolg verschiedener Architektur-Programme nachhaltigen Bauens leiten lässt. Das LSRS etabliert dazu ein grundlegendes Bewertungssystem, dass es ermöglichen soll, die eigenen Lehr- und Lernräume mit Best-Practise-Beispielen des Hochschulbereichs vergleichen zu können. Werthaftigkeit und Relevanz zieht das Rating-System aus einer aktiven Benutzer- und Anwendungsgruppe, die die erste Version des Bewertungsverfahrens über ein Jahr lang erprobt, getestet, diskutiert und reflektiert hat und nun auf dieser Grundlage der gesammelten Erfahrungen weitere Empfehlungen formuliert. Dies geschieht unter dem Eindruck zunehmender Überprüfung von Präsenzlehre unter dem Eindruck steigender Kosten und alternativer Lernmöglichkeiten außerhalb des traditionellen Campus. Hinzu kommt der Einfluss neuartiger Kursmodelle, die die Möglichkeit eröffnen das Design von Lernräumen zu überdenken. In diesem Umfeld sei es von vorrangiger Bedeutung, sich des Werts des Campus‘ zu besinnen. Vor allem diejenigen physischen Orte seien interessant, an denen Lehrer das Lernen ermöglichen und dabei die Anspruchsberechtigten des Campus auch räumlich in Planung und Gestaltung des Unterrichts einbeziehen. Das LSRS ermöglicht die Bewertung diejenigen formalen Lernorte in standardisierter Weise, die planmäßig für Präsenzlernen genutzt werden. Die Räume werden dabei nach einem Creditpoint-Verfahren bewertet, das sein Augenmerk neben dem Design des individuellen Raums ganz besonders auf die Erfolgsfaktoren des Lernens am Lernort legt: Planung, Unterstützung, Evaluation und strategische Ausrichtung der Lernumgebung. Es geht darum, die Fähigkeit der Lernräume hinsichtlich breit angelegter Lernpraktiken zu untersuchen und die große Spannweite unterschiedlicher Lehr- und Lernansätze zu beschreiben. Es gehe auf jeden Fall nicht darum, spezifische Lernverfahren vorzuschreiben. Planung, Gestaltung und Unterstützung von Lernräumen sei eine kollaborative und gemeinschaftliche Unternehmung zwischen Lehrenden, Lernenden, Administratoren, Technikern, Hausmeistern und Planern. Eine nachhaltige Lernumgebung als ganzheitlich gedachtes Ökosystem könne nur durch einen institutsübergreifenden Ansatz gelingen, der Lehrende und Lernende zur produktiven Zusammenarbeit einlädt. Das Learning Space Rating System hilft zum einen dabei, besser bewerten zu können, in wie weit eine Hochschule in der Lage ist Lehrräume anzubieten, die sich mit den besten Beispielen messen lassen können. Und zum anderen werden ganz konkrete Lehrräume auf deren spezifische Lehrangebote hin geprüft.

Im Projekt Lehrraum_digital wird diese Art Benchmarking erwartungsgemäß etwas kontrovers betrachtet und beispielsweise kritisiert, dass die Bewertungskriterien etwas stark an der verfügbaren Technik ausgerichtet sind. Das verwundert nicht unbedingt, ist EDUCAUSE doch eben eine Vernetzungs-Organisation, in der sich vor allem CIOs verschiedener Mitgliedseinrichtungen tummeln. Eine Ausgangsbasis ist das Bewertungssystem aber schon, weil es einen Hinweis darauf zu geben in der Lage ist, wie am Ende eines Lehrraum-Design-Prozesses die die eigene Planung bewertet werden wird.

 

Referenz:

Rittel, Horst (2013): Thinking Design – Transdisziplinäre Konzepte für Planer und Entwerfer. Basel: Birkhäuser

Autor: Dirk Bei der Kellen | 22. März 2018 | 15:23 Uhr

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