FOKUS BILD

 

EINE VERMITTLUNGSSITUATION VON JOHANNES GALLUS UND SABINE KRIEBITZSCH


1. Verortung

Dier Verortung unseres Themas „Bild“ separiert sich in einen fachwissenschaftlichen sowie fachdidaktischen Part. Zu Beginn wird die fachwissenschaftliche Seite beleuchtet, daran anschließend deren Auswirkungen auf die Fachpädagogik zusammenfassend vorgestellt. Die Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte bereitete der Gesellschaft eine Vermehrung bildhafter Darstellungen in allen möglichen Lebensbereichen. Die bildmediale Durchdringung wichtiger Gesellschaftsbereiche ist allgegenwärtig: Bilder in analoger oder digitaler Form sind ein eminenter Teil unseres Lebens: Wir rezipieren, produzieren und kommunizieren über und mit Bildern.

Böhme schreibt in seiner Theorie des Bildes von 1999: „Die Bilderwelten sind selbst zu wichtigen Bestandteilen oder Sektionen unserer Welt geworden“ (Böhme 1999, S.132). Aufgrund der Massenmedien und der daraus resultierenden, unaufhaltsamen Bilderflut, wurde es nötig den Begriff des Bildes zu erweitern. Ursprung dieser veränderten Sichtweise liegt in der kulturellen Wende – dem „pictorial“ (Mitchell 1992) und „iconic turn“ (Boehm 1994) des letzten Jahrhunderts, die eine Bildorientierte Kunstpädagogik hervorbrachte. Diese beiden Fachbegriffe beschreiben die Hinwendung zu einer Bildwissenschaft, die auf die Analyse von Bildern setzt. Das Element „Bild“ gewinnt gegenüber dem Element „Wort“ zunehmend an Bedeutung beziehungsweise übertrifft in der Gewichtung bereits das gesprochene Wort. Beispielhaft sei hier auf die intensive Emoji-Verwendung von Jugendlichen hingewiesen.

Die Etablierung neuer Medien führten die Kunst zu neuen Bildproduktionen und Bildprozessen. Weg vom Traditionellen, öffneten sie den Weg für gesellschaftsrelevante und bewusstseinsbildende Kunst. Doch auch Bilder von heute sind mit einer traditionellen Ästhetik verknüpft. Die Verbindung zwischen aktuellen und historischen Bildern macht es nötig, ein vernetztes Wahrnehmen und Verstehen zu entwickeln. Kinder und Jugendliche beziehen ihre Wirklichkeit deutlich auf Bilder, was die Verbreitung und Nutzung von reinen Picture-Apps wie Instagram oder Snapchat eindrucksvoll aufzeigen.

Durch diese neuen Verwendungs- und Kommunikationsformen von und mit Bildern können andere gestalterische Arbeiten und Aufgaben zum Einsatz kommen, als noch vor 30 Jahren. Im schulischen Unterricht findet ständig ein Umgang mit Bildern statt. Hier kommt die Frage auf, ob der Umgang mit Bildern sich an dem traditionellen Werkbegriff orientiert und dementsprechend das Bild als zeichenhaftes Produkt verstanden wird oder ob räumliche und zeitliche Bezüge mit einbezogen werden. Eine Variante zur Annäherung stellt das Modell der Bildumgangsspiele dar. Das Modell der Bildumgangsspiele umfasst das Produzieren und Rezipieren von Bildern in kommunikativ-kontextueller Sicht. „Es stellt Kontexte bereit, in denen Schüler_innen mit Bildern in den konkreten performativen Bedingungen des Unterrichts handeln können“ (Busse 2009, S.53).

Es fördert somit ein lehrplanbezogenes, performatives und künstlerisches Handeln. Wie bereits angedeutet, sieht auch Andreas Schoppe als programmatisches Ziel eine Öffnung des Bildbegriffes als dringend notwendig an. Die „Entschleunigung heutiger Sehgewohnheiten zum Zwecke einer Intensivierung der Bildwahrnehmung“ (Schoppe 2011, S. 13) ist für ihn das geeignete Mittel. Das anvisierte Ziel liegt in der gewonnenen Sicherheit der Schüler_innen im Umgang mit Bildern.

Dabei sollen die Dimensionen des Bildgebrauchs (herstellen, gestalten, verwenden, kommunizieren, wahrnehmen, beschreiben, analysieren, empfinden, deuten und werten) speziell im Kunstunterricht herausgearbeitet werden. Diese Überlegungen sind allerdings nicht allein auf den Kunstunterricht beschränkt. Das kunstdidaktische Konzept der Bildorientierung hat sich zur Aufgabe gemacht, die Entfaltung basaler produktiver, rezeptiver und reflexiver Fähigkeiten zu fördern. Ursächlich dafür ist die Nutzung digitaler Medien und die damit einhergehende Veränderung alltäglicher Bildpraxis.nen des Bildgebrauchs (herstellen, gestalten, verwenden, kommunizieren, wahrnehmen, beschreiben, analysieren, empfinden, deuten und werten) speziell im Kunstunterricht herausgearbeitet werden. Diese Überlegungen sind allerdings nicht allein auf den Kunstunterricht beschränkt.

Nicht umsonst ist das Thema Bildkompetenz im sächsischen Lehrplan unter der Rubrik Ziele und Aufgaben des Faches Kunst als erstes Schlagwort verortet: „Das Fach Kunst besitzt eine besondere Bedeutung für die Ausprägung der Bildkompetenz und damit der Kommunikations- und Medienkompetenz“ (Sächsischer Lehrplan Kunst 2004, S. 14). Bildkompetenz beschreibt auch die Fähigkeit, Bilder zu verstehen und sie zu gebrauchen. Dies schließt „die Fähigkeit ein in Bildern zu denken, mit ihrer Hilfe zu lernen und sich in Form von Bildern auszudrücken“(Bamford 2007, S.63). Um an der Lebenswelt der Schüler_innen zu partizipieren, bedarf es den vermehrten Einsatz von Bildern fächerübergreifend.

2. Ziele

Aus der oben beschriebenen Ausgangslage planten wir die verschiedenen Dimensionen des Bildgebrauchs zu thematisieren. Die Prozesse der Produktion, Rezeption und Reflexion standen bei uns im Fokus. Wir wollten aufzeigen, dass diese Prozesse in Gefügen stattfinden, in denen räumliche und soziale Situationen sowie mediale Gegebenheiten zusammenwirken. Daher sollte mit Hilfe von verschiedenen Gruppenarbeiten differente Zugänge zum Bildumgang geschaffen werden. Diese sollten einen schulalltagstauglichen Charakter haben, um eine spätere Anwendung der ausprobierten Methode zu ermöglichen. Andreas Schoppe bietet dazu in seinem Buch „Bildzugänge“ eine Vielzahl von Möglichkeiten an. Tragender Gedanke unserer Planung stellte das Konkretisieren des Begriffes „Bildkompetenz“ dar.

Für die theoretische Hinwendung zum Thema wollten wir die enorm verstärkte Bedeutung der alltäglichen Bildnutzung aufzeigen. Den Seminarteilnehmern sollte bewusst werden, welch enormer Bildermenge wir tagtäglich ausgesetzt sind. Diese aktuelle Bildkultur hat unter anderem zur Folge, dass sich kognitive Sehgewohnheiten verändern. Zusammenfassend lassen sich folgende Zielstellungen ableiten:

Die Seminarteilnehmer_innen werden sich über die Multidimensionalität des Überbegriffs „Bild“ bewusst. Sie erkennen Abhängigkeiten und Wechselwirkungen, bedingt durch veränderte Alltagswahrnehmung und künstlerischer Verwendung. Daraus resultierend muss die kunstdidaktische Position angepasst und über den eigenen Kunstunterricht hinaus betrachtet werden.

Um einen Einblick in die Vermittlungssituation zu erhalten, möchten wir diese nun pointiert darlegen.

3. Konzept

Unsere komplette Vermittlungssituation war auf Bildern aufgebaut, die wir systematisch in den vorangegangenen Wochen aus Zeitungen und Magazinen sowie dem Internet gesammelt hatten. Diese verteilten wir mit Hilfe von Leinen im Seminarraum, klebten sie an 5 die Wand und fügten sie in Diashows auf Rechnern und Tablets ein. Unsere Kommilitonen sollten von den Bildern sprichwörtlich erschlagen werden. Der Begriff Bilderflut sollte sowohl der erste als auch der letzte Gedanke sein, wenn sie das Zimmer betreten und verlassen. Es befanden sich historische, politische als auch künstlerische Bilder darunter. Sie waren gezeichnet, gemalt, fotografiert oder digital erstellt. Je nach Einordnung und Wahrnehmung konnten diese Bilder informieren, manipulieren oder diktieren. Diese Vorgehensweise hielten wir für sehr effektiv, um den Studenten aufzuzeigen, wie überpräsent Bilder sind und welchen großen Einfluss sie auf uns ausüben.

Bevor unsere Kommiliton_innen das Zimmer betreten durften, mussten sie vor der Tür warten. Sie wussten nicht, was auf sie zukommen würde. Diesen Überraschungsmoment wollten wir für unsere Vermittlung nutzen, um sie in die Welt der Bilder eintauchen zu lassen. Sie bekamen anschließend Zeit, das Zimmer zu erkunden, sich erste Gedanken zu machen und sich dem Thema Fokus Bild zu öffnen. Mit Betreten des Raumes mussten sie einen Zettel ziehen, auf dem eine Nummer stand. Diese Zahl wies sie daraufhin, zu welcher Gruppe sie gehörten und mit welchen Kommiliton_innen sie gemeinsam arbeiten würden.

Um die Aussage eines Kommilitonen aus der vorangegangenen Vermittlungssituation aufzugreifen, welcher behauptete, dass Bilder Sprache nicht ersetzen könnten, hielten wir es für sinnvoll, ein Zitat eines US-amerikanischen Psychologen (Paul Martin Lester) gegenüber zu stellen. Dieser behauptet, dass ein Bild 60.000-mal schneller verarbeitet wird als das gedruckte Wort. Ein Test im Rahmen dieser Aussage sollte das Zitat bestärken. Doch bevor wir diesen Test begannen, stellten wir an einer Tafel das Bild und die Sprache noch einmal gegenüber. Unsere Kommiliton_innen sollten mit Hilfe der Informationen, die wir ihnen in unserer Kurzpräsentation gegeben hatten, entscheidende Unterschiede zwischen Bild und Sprache benennen. Mit dieser Aufgabe wollten wir zum einen an die letzte Vermittlungssituation anknüpfen und zum anderen aufzeigen, wie verschieden beide Elemente sind.

Im Anschluss folgte der Test. Die Studierenden bekamen 20 Bilder im Abstand von ca. fünf Sekunden gezeigt. In dieser Phase des Tests durften sie nicht schreiben. Anschließend erhielten sie die Möglichkeit ihre Erinnerungen zu notieren. Danach folgten 20 Wörter, die wieder im Abstand von fünf Sekunden gezeigt wurden. Rein statistisch gesehen, behalten wir nur 10% der Informationen, die wir auditiv wahrnehmen. Das geschrieben Wort bis zu 20% und Dinge, die wir sehen oder selber machen bis zu 80%. Der Test selbst war ergebnisoffen. Wir hofften natürlich auf eine Bestätigung der vorgestellten These, was schlussendlich auch eintraf.

Durch die schnellere Verarbeitung erhalten Bilder Macht und dieses Wissen wiederum nutzen Werbeindustrie, Presse und Politik. Diese Aussage führte uns schließlich zur ersten praktischen Aufgabe in unserer Vermittlungssituation. Wie können Bilder Schülern schlüssig erklärbar gemacht werden? Wie können sie die Fähigkeit erlangen, Bilder differenziert deuten zu können? Um diese Fragen beantworten zu können, richteten wir unsere Aufmerksamkeit auf das rezeptiv – reflexive Betrachten von Bildern. Wir suchten verschiedene Möglichkeiten von Bildzugängen heraus. Unteranderem mussten Kommilitone_innen einer Gruppe ein Adjektiv bzw. Verb notieren, um sich anschließend ein assoziiertes Bild aus der Bilderflut im Seminarraum zu suchen. Das Bild sollte dann vor der Arbeitsgruppe präsentiert werden. Das zugrundeliegende Wort sollte erst benannt werden, um anschließend Wort-Bild-Bezüge zu thematisieren. Um herauszufinden, ob diese Methode auch im Unterricht sinnvoll und einsetzbar ist, war es uns wichtig eine Diskussion darüber zu führen, welche Potentiale und Grenzen diese Bildzugänge mit sich bringen. Unsere Kommiliton_innen waren zu diesem Zeitpunkt schon in Gruppen aufgeteilt.

Wir planten mit einer Arbeitszeit von ca. 15 Minuten. Nach dieser Zeit sollten die einzelnen Arbeitsgruppen kurz ihre Aufgabe dem Seminar vorstellen und die gewonnenen Erkenntnisse zusammentragen. Durch gezielte Fragestellungen versuchten wir die Präsentationen zu lenken.

Nachdem wir ausschließlich rezeptiv – reflexiv gearbeitet hatten, war uns der letzte Teil der Vermittlungssituation umso wichtiger. Hier sollten sie nun die Möglichkeit erhalten, produktiv – reflexiv zu arbeiten. Die Aufgabe bestand darin, sich in der Arbeitsgruppe auf ein Bild zu einigen. Dieses Bild sollte Grundlage und Ausgangspunkt sein. Aus der Vielzahl an Bildern, die im Seminarraum hingen, sollten nun weitere Bilder gesucht werden, die ggf. thematisch oder künstlerisch – ästhetisch zusammenpassen könnten, um eine neue Ordnung zu schaffen. Das Vorgehen sollte in der Gruppe abgestimmt werden. Im Anschluss bestand die Aufgabe in der Seminargruppe das eigene Handeln zu reflektieren und gemeinsam darüber zu diskutieren. Während der Diskussion flochten wir unsere Künstlerbeispiele mit ein, die wir mit Hilfe der PowerPoint präsentierten. Dieser Prozess des produktiv-künstlerischen Arbeitens schuf einen Bezug zum Bildumgangsspiel, indem die Studenten kontextuell-performativ arbeiten konnten. Unserer These, die wir zum Abschluss unserer Vermittlungssituation in den Raum stellten, ob die klassische Bildanalyse, die heute noch weitestgehend im Unterricht durchgeführt wird, gleichwertig einer Methodenkompetenz gegenübersteht, war als Anregung für eine Diskussion gedacht.

5. Literaturverzeichnis

– Bamford, Anne; Bildbereit, Die Bedeutung visueller Bildung; in: Noehoff, R. / Wenrich, R. (Hrsg.) Denken und Lernen in Bildern. Interdisziplinäre Zugänge zur Ästhetischen Bildung; München 2007.

– Böhme 1999. In: Torsten Meyer, Andrea Sabisch (Hrsg.) Kunst Pädagogik Forschung. Aktuelle Zugänge und Perspektiven; Bielefeld 2009.

– Busse, Klaus-Peter; Bildumgangsspiele einrichten; Norderstedt 2009.

– Mitchell, William John Thomas; Bildtheorie.; Frankfurt/Main 2008; (erstmalige dt. Ausgabe).

– Schoppe, Andreas; „Bildzugänge – Methodische Impulse für den Unterricht“; Seelze 2011.

– Torsten Meyer , Andrea Sabisch (Hrsg.); Kunst Pädagogik Forschung, Aktuelle Zugänge und Perspektiven; Bielefeld 2009.

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