MANFRED PAUL IM LEONARDIMUSEUM DRESDEN

EINE VERMITTLUNGSSITUATION VON JULIA SCHMIDT, ANJA WEBER UND ANNA SCHADE


Verortung

„Ein Museum ist eine gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit
zugängliche Einrichtung im Dienste der Gesellschaft
und ihrer Entwicklung, die zu Studien- und Bildungszwecken,
zu Freude, Spaß und Genuss materielle Zeugnisse von
Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht,
bekannt macht und ausstellt.”
ICOM-Definition des Begriffs „Museum“ aus dem Code of Ethics for Museums 2003

Die Vergangenheit hinterlässt Zeugnisse, die gesammelt und für die Zukunft aufbewahrt werden müssen, um der Gegenwart eine Orientierungsmöglichkeit zu bieten. Ein Museum bietet diesen Wissensspeicher. Es ermöglicht das Erleben “authentischer Objekte” und die unmittelbare Konfrontation mit Originalen. Viele RezipientenInnen erleben diese Erfahrung sinnlicher und intensiver als die Begegnung mit Reproduktionen. Daraus resultierend steigt die persönliche Identifikation mit dem Museumsobjekt und die Motivation Hintergrundwissen zu erwerben.

Das Museum ist im Fach Kunst der zentrale außerschulische Kulturpartner, der für SchülerInnen und LehrerInnen neue Formen des Lehrens und Lernens befördert (Rupprecht 2016, S.267). Somit der optimale Ort, um eine “Ding- oder Bildkompetenz” jenseits der Fachdisziplinen zu erwerben, die zu einem sinnstiftenden Umgang mit den materiellen Überresten von Kultur befähigen. Diese umfasst die Fähigkeit, sich Objekten und Bildern in ihrem jeweiligen Kontext adäquat anzunähern und selbst Bedeutungen und Bilder zu generieren. Der Lernende nimmt während einer meist gemeinsamen und problemorientierten Bearbeitung relevanter und authentischer Aufgaben im konkreten Handlungskontext eine aktive Rolle ein (Rupprecht 2016, S.268 f.). “Weiter gefasst geht es darum, Kindern und Jugendlichen ‘Museumskompetenz’ zu vermitteln, das heißt, sie zu einem selbstbewussten und kritischen Umgang mit Museen als Orten des lebenslangen Lernens zu befähigen.” (Rupprecht 2016, S.269)

Die Vermittlungsarbeit der musealen Inhalte leistet die Museumspädagogik, die dabei besucherorientiert zu einem selbstständigen Gebrauch des Museums anleitet. Somit unterstützt sie einen abwechslungsreichen, lebendigen und subjektiven Aneignungsprozess der kulturellen Güter (Bundesverband Museumspädagogik e.V. 2006, S.1).

Die fachdidaktische Position lässt sich sowohl in der Bild-, der Subjekt- und der Kunstorientierung, wie Georg Peez (2005) in seinen Artikel “Eine aktuelle Bestandsaufnahme: Bild – Kunst – Subjekt“ schrieb, verorten und wird nicht losgelöst voneinander betrachtet werden.

#Ziele

Ziel der Vermittlungssituation im Museum war es, den Ort als solches authentisch zu erfahren, um ihn später in den eigenen Kunstunterricht gewinnbringend zu integrieren. Der Besuch in einer Ausstellung kann den Rezipienten die verschiedenartigsten Perspektiven eröffnen. Dabei ist es wünschenswert, wenn der Mehrwert eines Museumsbesuchs für alle Beteiligten ersichtlich wird und zum forschenden und explorativen Weiterarbeiten anregt. Folglich sollte ein Besuch fachdidaktisch und fachwissenschaftlich untermauert sein und genau geplant und organisiert werden. Auch eine fächerübergreifende Betrachtung einzelner Aspekte lässt sich dem Ausstellungsbesuch entnehmen. Somit kann jeder verschiedene Handlungsalternativen, Methoden und verschiedene Medien für seine spätere Arbeit als Lehrkraft entnehmen. Außerdem bietet es die Möglichkeit sich zu gewissen Aspekten zu positionieren und damit dann eigene Zugänge und differenzierte Gestaltungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Das reflektierende Gespräch im Anschluss an den Museumsbesuch, lässt offene Fragen zu und zeigt mögliche Grenzen und Probleme auf. Das Museum ist ein Ort, an dem ästhetisches Forschen Möglich ist.

#Konzept

Im Mittelpunkt der Vermittlungssituation steht eine eigenaktive und produktive Auseinandersetzung mit den von den Künstlern angewendeten Strategien, zweitrangig wird über die Künstlerpersönlichkeit informiert. Die Studierenden begeben sich auf die Suche nach Formensprache und Ausdruck sowie nach Möglichkeiten einer Erweiterung der Denkweise des Künstlers anhand gegebener Kunstwerke. Die direkte Auseinandersetzung mit den Kunstwerken und den Strategien im musealen Kontext, des Leonhardi-Museums erleben die SeminarteilnehmerInnen als anregende, authentische Erfahrung mit zeitgenössischer Kunst der Region Dresden. Eine tiefergehende Beschäftigung mit den Künstlerpersönlichkeiten kann in folgenden Unterrichtseinheiten ergänzt werden und spielt in der Vermittlungssituation eine untergeordnete Rolle.

In der Arbeitsphase setzen sich die SeminarteilnehmerInnen anhand von drei unterschiedlichen Arbeitsaufträgen praktisch mit den ausgestellten Werken auseinander. Unterschiedliche Materialien und Medien, die zur Verfügung gestellt werden, bilden den Ausgangspunkt für die eigenaktive Annäherung an die Kunstwerke.

Zu Beginn wird das Ankommen der Studierenden mit einer kleinen Einführung in die Geschichte des Museums begründet. Es gibt eine kurze Erläuterung über die aktuellen Ausstellungen und erste Fragen können beantwortet werden. Im Anschluss daran wird die Gruppenzuordnung vorgenommen. Die Studierenden werden per Losverfahren in die drei Gruppen eingeteilt somit wird Zeit für aufwendige Aufteilungsverfahren und Diskussionen vermieden. Mit Gruppen ist es möglich die Vielfalt eines Museumsbesuchs aufzuzeigen. Da verschiedene Methoden erprobt und vorgestellt werden, kann jeder davon partizipieren. In der Vermittlungssituation bieten sich zur Betrachtung und Bearbeitung von Kunst die ausgestellten Künstler-Portraits und Stillleben von Manfred Paul sowie die Plastik “Faltung” von Hermann Glöckner an.

Im praktischen Teil der Vermittlungssituation setzen sich die Studierenden mit den jeweiligen Aufgaben in ihrer Gruppe auseinander. So nähert sich die Gruppe 1 künstlerisch der Formensprache, der Plastik von Hermann Glöckner an, indem sie die Möglichkeit der grafischen Auseinandersetzung nutzen und eigene neue Gestaltungsideen entwickeln. Im Anschluss daran sollen die Studierenden eine kleinformatige Arbeit anfertigen, die sie als Gruppe gemeinsam präsentieren. Als Materialien stehen Papiere, Scheren, Leim, unterschiedliche Stifte etc. zur Verfügung. Dadurch, dass die Plastik im Freien stand, bietet sich hier auch die Möglichkeit Erfahrungen mit Umwelteinflüssen zu erleben, wie zum Beispiel der Straßenlärm, die unterschiedlichen Lichtverhältnisse und Witterungsbedingungen. Es soll deutlich gemacht werden, dass die Ausstellungsfläche auch über die Räumlichkeiten des Museumsgebäudes hinausgehen. Die Gruppen sollen räumlich getrennt agieren, um eine störungsfreie Arbeitsatmosphäre untereinander zu gewährleisten. Gleichzeitig werden die örtlichen Kapazitäten des Museums von den Studierenden bestmöglich genutzt und erkundet.

Zu Beginn der Arbeit in den Gruppen 2 und 3, wird der Künstler Manfred Paul und dessen Arbeit in kurzen Auszügen benannt und die Entstehung der Werke dargelegt. Durch die jeweilige Vorbildung der einzelnen TeilnehmerInnen ist ein differenziertes Einfühlen in die Arbeiten des Künstlers möglich. Die zweite Gruppe setzt sich mit den Fotografien “Künstler-Portraits” von Manfred Paul auseinander und notiert gemeinsam dazu ihre Eindrücke, um einen assoziativen Zugang zu schaffen. Im Anschluss daran sollen die Studierenden sich einzeln oder als Gruppe inszenieren und die Ergebnisse mit den zur Verfügung gestellten Tablets fotografisch festhalten. Durch die Nutzung von digitalen Medien können Ergebnisse direkt bearbeitet und präsentiert werden.

Die dritte Gruppe beschäftigt sich mit den Stillleben desselben Künstlers. Es soll eine Fotografie ausgewählt und individuell dazu eine Geschichte geschrieben werden. Diese Einzelarbeit in Stille kann eine tiefgründige sprachliche Auseinandersetzung mit den Bildinhalten entstehen lassen. Im abschließenden Plenum können die Studierenden ihre Geschichten vortragen. Als Hilfestellung werden folgende Fragen formuliert. “Was könnte der Hintergrund für dieses Foto sein? Wie ist es zu dieser Situation gekommen? Welche Personen sind beteiligt?”

Die Methoden der Gruppe 2 “Portraits nachstellen” (Schoppe 2011, S.115) und Gruppe 3 “Geschichten erzählen” (Schoppe 2011, S.75) wurden dem Werk von Andreas Schoppe Bildzugänge entnommen.

Nach Ende des Praxisteils erfolgt die Vorstellung und diskursive Auseinandersetzung mit den jeweiligen Arbeitsergebnissen der Gruppen. Die Studierenden erhalten ein Handout, welches die wichtigsten Daten der Künstler enthält. Die Vermittlungssituation endet mit einer gemeinsamen Reflexion unter anderem anhand folgender Impulsfragen: Worin besteht der Mehrwert eines Museumsbesuchs? Welche möglichen alternativen Handlungen und Methoden bietet der Museumsbesuch? Wie kann ein Museumsbesuch fächerübergreifend entwickelt werden? Welche Position beziehen die Studierenden zum Beispiel zu der Frage, ob die Vermittlung eine gesamte Ausstellung oder eine gezielte Auswahl einzelner Exponate darbieten soll? Wann wäre der richtige Zeitpunkt, genaue Informationen über den Künstler zu liefern? Wichtig dabei ist herauszukristallisieren, welche Erfahrungen gemacht worden sind, was gelernt wurde und welche thematische Vertiefung weiterführend möglich ist.

#Quellen:

Bundesverband Museumspädagogik e.V. (03. April 2006). Positionspapier Museumspädagogik. Abgerufen 19. Juni 2017 von www.museumspaedagogik.org

Eschenfelder, C. (o.D.). Städel Museum. Abgerufen am 19. Juni 2017 von https://sammlung.staedelmuseum.de/de/person/gloeckner-hermann

Kluge, J.-D. (2010). International council of museums Deutschland. Abgerufen am 19. 06 2017 von http://www.icom-deutschland.de/schwerpunkte- museumsdefinition.php

Paul, M. (o.D.). Manfred Paul Fotografie. Abgerufen am 19. Juni 2017 von http://www.manfred-paul.de/

Peez, G. (2005). Kunstpädagogik jetzt. Eine aktuelle Bestandsaufnahme: Bild – Kunst – Subjekt. In: Bering, K./ Niehoff, R. (Hrsg): Bilder – Eine Herausforderung für die Bildung (S. 75-89).Oberhausen: Athena Verlag.

Rupprecht, C. (2016). Schule und Museum. In Commandeur, B./Kunz-Ott, H./ Schad, K. (Hrsg): Handbuch Museumspädagogik. Kulturelle Bildung in Museen (S. 267-273). München.

Schmidt, S. (o.D.). Hermann Glöckner Archiv. Abgerufen am 19. Juni 2017 von http://www.hg-archiv.de/index.php

Schoppe, A. (2011). Bildzugänge, Methodische Impulse für den Unterricht. Seelze: Kallmeyer in Verbindung mit Klett Friedrich Verlag GmbH.

Weber, A.-P. (28. Mai 2016). Deutschlandfunk Kultur. Abgerufen am 19. Juni 2017 von http://www.deutschlandfunkkultur.de/manfred-paul- ausstellung-in- cottbus-das- surreale-des- todes.2165.de.html?dram:article_id=355413

Welich, D. (2004). Hermann Glöckner – Ein Beitrag zum Konstruktivismus in Sachsen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert