Archiv der Kategorie: Performance Art Education

PERFORMANCE SEMINAR SOSE 24 // RECAP II

Performancekunst (er-)leben: Intensivseminar im Kulturzentrum Řehlovice im Sommer 2024

Text: Dr.in Antje Dudek // Fotografien: Lisa-Marie Porst


Zwei Studierendengruppen aus Dresden und Tel Aviv trafen im August 2024 im Kulturzentrum Řehlovice in Tschechien zusammen, um sich der Kunst des Handelns zu widmen. Das Blockseminar unterrichtete ich gemeinsam mit BBB Johannes Deimling und Shahar Marcus. Lisa-Marie Porst begleitete die Exkursion als Tutorin und hielt die zahlreichen starken Handlungsbilder fotografisch fest. Der folgende kurze Bericht von mir als Dozentin soll ausgewählte Einblicke geben in eine sehr intensive Woche des Austauschs und der reichhaltigen künstlerischen Auseinandersetzung.


Begegnung erleben
In der gemeinsamen Woche auf dem ländlich gelegenen Hof entfalten sich oft Begegnungen, die uns prägen. Beim gemeinsamen Kunstmachen, in den Besprechungen, beim Essen unter freiem Himmel und den abendlichen Gesprächen lernen wir einander gut kennen. So habe ich „Rehlo“ schon immer als einen Ort der Empathie, der Freundschaft und des offenen Austauschs erlebt. Erstmalig fand das Seminar, das an unserem Institut Tradition hat, im Austausch mit dem Kibbutzim Seminar College in Tel Aviv statt. Drei israelische Studierende hatten für die Seminarteilnahme Stipendien erhalten. Wir kamen an einem dritten Ort zusammen mit unseren verschiedenen Lebenswelten im Gepäck. Für die israelischen Teilnehmenden bedeutete der Aufenthalt eine Pause von den kriegerischen Auseinandersetzungen in ihrer Heimat und es eröffneten sich Momente des Austauschs zu existenziellen Fragen – auch auf performativer Ebene, jenseits von Sprache. Wir hoffen, den Austausch mit dem Kibbutzim Seminar College weiterzuführen und zu verstetigen.


Inspiration finden
Im Seminar legen wir Wert darauf, den Teilnehmenden verschiedene Inspirationsquellen für Performances zu zeigen. Das kann ein Material sein, das persönliche Erinnerungen weckt, ein Wort, das innere Bilder hervorruft oder ein Ort, der Interesse weckt. Die Arbeit auf dem großzügigen Gelände und in den stimmungsvollen Mauern des Vierseitenhofs ist so wertvoll, weil der Ort so viele Impulse für Handlungsbilder gibt.


Im Trio lehren
Ich bedanke mich bei meinen beiden Kollegen BBB Johannes Deimling und Shahar Marcus für die bereichernde Zusammenarbeit. Selten hat man in der Lehre die Gelegenheit, ein Seminar zu dritt planen und gestalten zu können. Das ermöglicht es, den Studierenden verschiedene Perspektiven auf ihre Arbeiten zu spiegeln und unterschiedliche Ansätze künstlerischer Lehre ins Spiel zu bringen. Tanznahe Ausdrucksformen, Raumläufe, körperlich verausgabende Experimente fanden so ihren Platz im Seminarablauf, den wir jeden Abend spontan und in Reaktion auf das vergangene Tagesgeschehen planten. Die Studierenden erhielten in Videopräsentationen Einblick in künstlerische Arbeiten von BBB Johannes Deimling und von Shahar Marcus, der auch eine Live-Performance aufführte. Gemeinsam mit Lisa-Marie Porst hatte ich auch die Freude, eine Performance im Schwimmbecken des Dorfes zu entwickeln und aufzuführen.


Lebendige Bilder, die bleiben
Ich schaue dankbar auf diese Woche zurück, in der sich alle Studierenden mit Neugier und Spiellust dem performativen Arbeiten geöffnet haben. Sie fanden Wege, um persönlich Bedeutsames in Handlungsbilder zu transformieren. Im Experiment mit verschiedenen Ausdrucksformen des körperlichen Handelns entdeckten alle eine Form, die zu ihnen passte – von humorvollen Aktionen zu tänzerisch inspiriertem Ausdruck, von identitätsbezogenen künstlerischen Statements zu Situationen, in denen sich surreale Welten mit Material und Körper im Raum materialisierten.


Ich wünsche uns allen, dass diese Bilder, Begegnungen und Bildungen in unseren Alltagen ihren Platz finden und weiterklingen können.


Weiterführendes:

https://kcrehlo.cz/de/rehlovice-de

https://bbbjohannesdeimling.de/

PERFORMANCE SEMINAR SOSE24 // RECAP I

Řehlovice
UNSTILLBARE (NEU)GIER.

Text: Roman Semmler (neutral/sie)

Fotografien: Lisa-Marie Porst, Monika Deimling, Avi Mahler


Performance Art als Kunst des Handelns Blockseminar in Řehlovice mit Dr.in Antje Dudek, BBB Johannes Deimling und Shahar Marcus


Im August 2024 kamen 9 Studierende im tschechischen Řehlovice zusammen, um gemeinsam ihren Performancebegriff experimentell zu entwickeln. Dies ist bereits seit über 20 Jahren Tradition, die von Prof. Marie-Luise Lange und BBB Johannes Deimling begründet wurde. In diesem Jahr fand das Seminar aber erstmals in Kooperation mit dem Kibbutzim College Tel Aviv statt, was dem Seminar viele interkulturelle Aspekte eröffnet. Die Teilnehmer*innen befanden sich somit außerdem in der besonderen Situation, gleich von drei Lehrenden begleitet zu werden.


KEEP THE PROZESS ALIVE


Deren didaktische Konzepte vereinten sich spontan und bedarfsabhängig zu einem sehr intensiven und abwechslungsreichen Programm aus verschiedenen Übungen, Schöpfungsprozessen, der Präsentation von diversen Solo- und Duo-Performances und deren Reflexion in der Gruppe. So wurden neben der Interaktion zwischen Körper(n), Raum und Objekten wie in BBB Johannes Deimlings „script work“ auch mit graphischen Ausdrucksweisen oder performativen Standbildern experimentiert. Dabei zeigten alle Teilnehmenden eine große Ernsthaftigkeit und Hingabe.

DU BIST NICHT ALLEIN

Da das Seminar für viele der erste Kontakt mit Performance Art ist und in einer zwar kleinen aber doch mehr oder weniger fremden Gruppe geschieht, kann gerade das Präsentieren, aber auch der künstlerische Prozess davor, sehr beängstigend sein. Weil jedoch sehr sensibel mit potentiell Druck ausübenden Situationen umgegangen wurde und die Gruppe sehr schnell zusammengewachsen ist, konnten Unsicherheiten gut aufgefangen werden. Außerdem entstand eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der produktiv Feedback gegeben und Rückfragen gestellt werden konnten.


DO SOMETHING!


Auch wenn der Performancebegriff nach dem Seminar weiterhin nicht einfach kurz und prägnant zu formulieren ist, konnte doch ein intuitives Gespür und ein Blick für überraschende, vielschichtige, assoziationsreiche und wirkmächtige Bilder entwickelt werden. Außerdem wurde Performance über Übungen wie „get tired in an important way“ oder „get dirty“ von Acting abgegrenzt: Es geht um das Schaffen authentischer Momente, nicht um ein “so “Tun als ob”.

CLIMAX

Nach einer Woche des künstlerisch-praktischen Arbeitens und sehr erfolgreichen Schaffens, gelang es allen Teilnehmenden, das Seminar in den finalen Solo-Performances mit einem Höhepunkt zu beenden, den sich auch Marie-Luise Lange nicht entgehen lassen wollte. Hier zeigten sich 9 individuelle performative Ausdrucksweisen, die sich innerhalb weniger intensiver Tage (weiter)entwickelt haben.

Die Zeit in Rehlo hinterlässt mich in dem Gefühl, vier Wochen in einer einzigen erlebt zu haben – sowie mit einem neuen künstlerischen Zugang zur Welt, unzähligen wertvollen Erinnerungen und neuen Freund*innen. Danke!

Unstillbare (Neu)gier. Performance Art als Kunst des Handelns

Rückblick auf das Performanceseminar von Antje Dudek im Wintersemester 2022/23

Ein Text  von Lisa-Marie Porst

Im Februar 2023 entwickelten und erweiterten zehn Teilnehmerinnen sechs Tage lang aktiv körperlich handelnd ihren Performancebegriff. Erste performative Übungen führten zu kürzeren Einzel- oder Gruppenperformances, deren Erfahrungen und Reflexionen sich in eine die Woche abschließende eigenständige Performance einer jeden Teilnehmerin einflossen. Unter verschiedenen Leitfragen suchten die Studierenden nach neuen Ausdrucksformen abseits des Alltäglichen, mit dem Ziel, assoziationsreiche, mehrdeutige, überraschende Bilder zu entwickeln und sich selbst sowie den eigenen künstlerischen Ausdruck (neu) auszuloten. 

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ZWISCHENMENSCHLICHE BEGEGNUNGEN

 

EINE VERMITTLUNGSSITUATION VON JONAS TROPARTZ, KATHARINA RUBLEV & VANESSA KARNETT

TEXT: JONAS TROPARTZ


  1. Verortung [come together]

Die Performance, eine Kunstgattung entstanden im 20. Jahrhundert, eröffnet durch die freien und vitalen innewohnenden Ausdrucksformen eine Bandbreite an Vermittlungsmöglichkeiten. Auf dem schmalen Pfad zwischen Kunst und Leben ist die performative Handlung die Achtsamkeit auf den Vollzug der eigenen Handlungen und die Wahrnehmung derer in Bezug auf sich selbst und alle anderen. (Peters 2005, S. 8)

Passend dazu beschreibt David George die Fähigkeit von Performance als „neue Art der Betrachtung bekannter Phänomene – eine andere Weise, auf sie zu reagieren, sie zu erfahren und über sie nachzudenken.“ (George 1998, S.16) Dies bedeutet, bekannte Alltagsphänomene neu in den Fokus zu rücken und das Spannungsgefälle zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem zu untersuchen. Dabei hat man kein klares Ziel vor Augen, sondern gestaltet den Weg und Prozess als solches fruchtbar, sodass diese als Erkenntnisgewinn ausreichen können. Der Körper als anfängliche nutzbare Quelle sollte dabei nicht außer Acht gelassen werden. ZWISCHENMENSCHLICHE BEGEGNUNGEN weiterlesen

PORTRAIT MAL ANDERS

EINE VERMITTLUNGSSITUATION VON JESSICA BERNECKER, THERESA EINSIEDEL, JOHANNA MUTH UND MARIE MÜLLER


1. Verortung

Wenn wir einem Menschen oder einem Tier ins Gesicht sehen, geschieht mit uns etwas ganz anderes, als wenn wir einen Gegenstand oder eine Landschaft betrachten. Denn beim Blick in ein anderes Gesicht entsteht ein An-Blick im Doppelsinn: Nicht nur wir blicken in oder auf das Gesicht, sondern es blickt uns auch umgekehrt von sich aus an. (Sowa/Uhlig 2007, S. 4)

Zwei Blicke begegnen sich und wir sprechen von „Angesicht zu Angesicht“ (Sowa 2003, S. 4). Unsere Wahrnehmung konzentriert sich auf die kommunikative Korrespondenz mit dem figürlich-menschlichen oder tierischen Gegenüber und ist fokussiert auf die Begegnung mit der leiblichen Präsenz des Anderen (Sowa/Uhlig 2007, S. 4).

Im Portrait gestalten wir unsere Interpretation dieses interpersonalen Erlebnisses. Generell kann man sagen, dass das Anfertigen von Portraits eine anthropologische Konstante in vielen Kulturen darstellt. Das Gesicht steht hierbei häufig im Mittelpunkt – gilt es doch gleichsam als öffentliches Display unseres Charakters, welches konzentrierte Informationen zum Lesen und Kommunizieren bereithält (ebd.). PORTRAIT MAL ANDERS weiterlesen